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Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Titel: Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Babak Rafati
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Pflicht ist. Ich erinnerte mich plötzlich, wie mich mein Körper Stück für Stück im Stich gelassen hatte, je mehr die psychischen Belastungen zunahmen. Ich erinnerte mich, wie beim Lauftraining regelrechte Lähmungen aufgetreten waren, die mich abrupt zum Stehen brachten – und genau diese Lähmungen auch meine Angst ausgelöst hatten, vielleicht mitten in einem Bundesligaspiel auszufallen. Ich sehnte mich nach meiner körperlichen Fitness zurück. Wie schön das Gefühl war, beim Laufen völlig im Einklang von Bewegung und Atmung aufzugehen, kam in dieser Sekunde wieder – ich hatte völlig vergessen, wie viel mir das die ganzen Jahre seit meiner Jugend bedeutet hatte: mich bewegen zu können und im Laufen Freiheit zu finden.
    Am nächsten Morgen traf ich auf meinen Lauftherapeuten Marcel Wendt, ein Handballer, der in der dritthöchsten Liga spielte und somit körperlich topfit war. Es war eine unglaubliche Schinderei, wieder in Bewegung zu kommen, den rasselnden Atem zu bändigen, das Brennen der Lunge auszuhalten, die Krämpfe in den Waden und vor allem wieder in die alten, harmonischen Bewegungsabläufe zurückzufinden. Irgendetwas in meinem Kopf hatte den Kippschalter auf »Stopp« umgelegt. Wenn der Kopf nicht will, funktionieren die Beine auch nicht richtig. Meine Motorik spielte völlig verrückt. Ich konnte nicht mehr laufen und schon nach den ersten hundert Metern war klar, ich würde wieder völlig von vorne beginnen müssen – meine Kondition und körperliche Konstitution spiegelten die Ereignisse in meiner Seele. Ich war auf null. Dazu kam die Angst, die Leute würden sich nach einem schnaufenden, von Seitenstichen geplagten, die Hände vor Schmerzen in die Hüften stemmenden Mann umblicken, der da so erbarmungswürdig dahinstolperte, und in mir den einst spurtschnellen Bundesligaschiedsrichter Rafati erkennen. »Rafati – nun pfeift er auf dem letzten Loch!« – mein Leben in Schlagzeilen. Es half nur ein Trainingsoutfit mit einer Megakapuze.
    Wie mir Marcel Wendt erklärte, kam es gar nicht so sehr auf die Geschwindigkeit, die Dauer oder die Entfernung des Laufes an – sondern zunächst ging es nur darum, in seinen Laufrhythmus zurückzufinden, in seinen Körper hineinzuhorchen, störende Gedanken abzuschalten und Seele und Körper wieder in Einklang zu bringen. Nach kurzer Zeit joggten wir dreimal die Woche jeweils 45 Minuten und ich bemerkte, wie es mir nach und nach half, mich nicht nur körperlich, sondern auch seelisch besser zu fühlen und mich »frei« zu laufen.
    Ich schuldete Marcel Wendt meinen vollen Einsatz, weil er extra seine Mittagspause opferte, um mit mir ein Einzeltraining zu absolvieren. Die weiteren Laufeinheiten beflügelten mich immer mehr, denn ich lief nunmehr für meine Gesundheit, für mich selbst und war keinem Zwang und Druck ausgesetzt. Nach den ersten Wochen meiner Erkrankung, in denen ich mich kaum nach draußen gewagt hatte, erlebte ich jetzt in der Bewegung die Kraft der Natur. Ich spürte die reine, frische Luft, die meine von der ewigen Heizungsluft vertrockneten Nasenschleimhäute befeuchtete, sodass ich zum ersten Mal wieder die ganzen Duftabenteuer wahrnahm, die ein Wald mit seinen Tannenschonungen, den Moosböden und Dickichten zu bieten hat. Ich spürte wieder die unterschiedlichen Witterungen auf meiner Haut, Wind, Regen, Sonne, Schnee, und versuchte im Laufen alles bewusst in mir aufzunehmen, förmlich einzuatmen, ohne dabei in die sonst üblichen Grübeleien zu verfallen. Wenn ich laufen konnte, war ich wieder ganz bei mir. Ich entdeckte Dinge, die in mir die Lust und Neugier weckten, eine andere Seite des Lebens für mich zu entdecken. Einfach zu sein, um zu sein – und nicht tun, um zu sein.
    Der 2. Januar 2012, an dem wir die erste Laufeinheit absolvierten, war für mich ein historischer Tag. Nachdem ich die Silvesternacht in tiefer Depression verschlafen hatte und am ersten Tag des Jahres in einer tiefen Depression erwacht war, spürte ich nun, dass ich mit dem Lauftraining etwas gefunden hatte, das mir einen Schub nach vorne geben könnte. Der erste Lauf war wirklich eine Quälerei, der Kopf schmerzte und ich war völlig durchgeschwitzt.
    Mein Trainer schaute mich am Ende der Strecke aufmunternd an und sagte, immerhin seien wir heute unsere Jahresbestleistung gelaufen. Am zweiten Januar, mittags um zwölf. Aber das Mittel der Selbstironie ist gar nicht mal so schlecht in derartigen Lebensphasen, denn zum zweiten Mal in diesem Jahr erreichte ich

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