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Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Titel: Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Babak Rafati
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wichtiger Faktor in meinem Leben ist nach meiner Sehnsucht nach Anerkennung die Suche nach meinem Platz in der Gesellschaft. Nach oben zu kommen war kein Selbstzweck – ich wollte mein ganzes Leben immer wissen, wo ich hingehöre, zu wem ich gehöre. Ein Weg, beide Ziele gleichzeitig zu erreichen, schien mir damals ein guter Job und ein gesichertes Einkommen zu sein. Angesichts der Geldknappheit zu Hause verzichtete ich darauf, die Aufnahmeprüfung fürs Gymnasium zu machen. Die Zeit zwischen meinem Mittelschulabschluss und dem Beginn einer Ausbildung nutzte ich, um Geld zu verdienen. Über eine Zeitarbeitsfirma kam ich im Wirtschaftsministerium unter und durfte die Post austragen. Ein wunderbarer Job. Ich kam überall im Haus herum, selbst in die Ministeretage. Und kannte nach und nach nahezu alle wichtigen Leuten im Regierungssitz Hannover mit Gesicht und Namen, den Wirtschaftsminister, seine Staatssekretäre und Referenten, wichtige Persönlichkeiten aus der Wirtschaft, immer ernste, seriöse Männer in teuren Anzügen. Und bald dachte ich: Da willst du auch mal hin.
    Das Geld, das ich verdient habe, wurde eisern gespart. Das Ziel war, die ersten 10.000 D-Mark vollzubekommen. Damals konnte man bei der Sparkasse ab 10.000 Mark Einlage in Termingeld anlegen, wofür es höhere Zinsen gab als auf dem langweiligen Sparkonto. Ich hatte keine großen Ausgaben und so war das Ziel bald erreicht. Ich habe jeden Pfennig – damals gab es noch keine Cents – beiseitegelegt. Golf GTI mit Spoiler, Party und einen auf dicke Hose machen, hatte mich nie interessiert. Mich interessierte meine Zukunft. Und ich wusste, Geld würde dabei eine wichtige Rolle spielen. Nachdem ich die 10.000 D-Mark erreicht hatte, setzte ich mir weitere Ziele. 20.000 D-Mark bedeuteten noch höhere Zinsen für das Termingeld, Ziele, die ich nach und nach erreichte. Ich wusste genau, wofür ich das ganze Geld benötigen würde. Da bei meinem Vater wegen seiner freiberuflichen Tätigkeit immer wieder mal das Geld so knapp war, dass uns der Vermieter schräg anschaute, nahm ich mir vor, selbst Hausbesitzer zu werden und nie wieder in meinem Leben Miete zu zahlen. Mit Jobben ging das nicht. Ich suchte ständig nach zusätzlichen Verdienstmöglichkeiten und entdeckte bald den Finanzsektor als Tätigkeitsfeld, nachdem ich gesehen hatte, wie viel Geld hier in kurzer Zeit verdient werden konnte.
    Ich hatte mich für eine Banklehre in der Sparkasse Hannover entschieden, weil hier die anerkannt beste Ausbildung angeboten wurde. Auch die Karrierechancen nach der Ausbildung waren enorm. Die Chancen, eine Lehrstelle zu erhalten, waren dagegen denkbar schlecht, nur drei Prozent aus den über 2100 Bewerbern wurden genommen. Ich malte mir nur geringe Chancen aus, aber ich nahm mir vor, das Spiel noch zu drehen. Die Konkurrenz schien übermächtig.
    Am Tag des Auswahlverfahrens saß ich fast nur zwischen Abiturienten, viele hatten einen Schnitt von 1,4 – ich hatte nur Realschulabschluss, allerdings mit einem sehr guten Durchschnitt. Durch den schriftlichen Test war ich einigermaßen durchgekommen, aber die Ergebnisse würden nicht so überragend sein, um die 2100 anderen Bewerber abzuhängen. Beim abschließenden Gespräch hakte einer aus der Auswahlkommission seinen Fragenkatalog ab: »… Na, und was machen Sie als Hobby?« Neben mir saßen drei Abiturientinnen, gefühlter Schnitt 1,0, akkurater Pferdeschwanz, Perlenkettchen über blauem Kaschmirrolli und die dazu passende Antwort. »Klavierspielen.« »Aha – und Sie?« »Pferdereiten.« »Interessant.« »Und Sie?« »Ballett.« »Hmh.« Die Kommission schien langsam in sich zusammenzusacken, vermutlich hatte ganz Hannover seine höheren Töchter hier vorbeigeschickt. Allem Anschein nach waren es heute nicht die ersten Mädchen, die sich mit Ballett und Pferdereiten als Hobby vorstellten.
    Es ging auf die Mittagspause zu und einige der Kommissionsmitglieder rafften schon verstohlen ihre Unterlagen zusammen. Dann richteten sie ihre müden Blicke gerade noch auf mich: »Na – und Sie, junger Mann, was für ein Hobby haben Sie?« Ich sagte: »Schiedsrichter!« und mit einem Schlag waren alle hellwach. »Oh, Fußball. Normalerweise wollen ja alle Stürmer sein. Aber Schiedsrichter? Erzählen Sie mal.« Und da war ich in meinem Element und ich schilderte voll Begeisterung meine Aufgaben: wie man ein Spiel leitet, es nicht aus dem Ruder laufen lässt, wie man die Spieler im Griff behält, dass man schnell entscheiden,

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