Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Titel: Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Babak Rafati
Vom Netzwerk:
dreimal Gelb plus dreimal Gelb – macht dreimal Gelb-Rot. Es waren sehr konsequente Entscheidungen von mir. Ich hätte es zwar bei ultimativen Ermahnungen belassen können, die angesichts eines angedrohten Platzverweises ihre Wirkung vielleicht nicht verfehlt hätten. Aber aus dem Spielgeschehen heraus schien mir der Körpereinsatz zu hart für eine Ermahnung, wo doch schon die Belastung mit der Gelben Karte zu keinerlei Einsicht geführt hatte. Also dreimal Gelb-Rot. Nicht optimal, aber absolut regelkonform und aus der Spielsituation heraus verständlich.
    Am Sonntag nach jedem Spiel erstattet der Schiedsrichter seinem Obmann telefonisch Bericht. Volker Roth war unbestechlich in seiner Analyse und von keinerlei Sentimentalitäten geleitet. Was er aber sagte, war stets rein sachlich begründet und stellte nie die Persönlichkeit des Schiedsrichters infrage. Jetzt erlebte ich bei seinem Nachfolger Herbert Fandel eine völlig neue Qualität in der Berichterstattung: »Hallo, Babak«, begann er das Gespräch mit seltsam leerer, gesenkter Stimme. Früher, noch zu gemeinsamen Schiedsrichterzeiten, hatten Fandel und ich im Anschluss an unsere Spieleinsätze, zum Beispiel bei einem Diskothekenbesuch in Berlin, viel Spaß gehabt, unser Verhältnis war angenehm kollegial, fast schon freundschaftlich – wenn es auch keine echte Freundschaft war. Fandel hatte mir aber immer wieder gesagt, wie viel er von mir halten würde – als Mensch und insbesondere als Schiedsrichter. Ich dachte, das könnte so positiv weitergehen. Aber Fandels Ton war jetzt, nach der Übernahme des Vorsitzes der DFB-Schiedsrichterkommission, kalt und schneidend. Er kanzelte mich ab, wie ich es vorher nie erlebt hatte. Er sagte, dass ein FIFA-Schiedsrichter, wenn er eine Persönlichkeit habe, Probleme anders löse als ich mit drei Platzverweisen. Er verlange, dass Schiedsrichter in seinem Team professionell agierten. Ich verstand nicht. Meine Entscheidungen waren laut Regel völlig korrekt gewesen. Selbst der damalige Beobachter attestierte mir damals eine sehr gute Leistung. Fandel fragte mich, ob ich mich überhaupt in der Lage sehen würde, das anstehende Topspiel zwischen Bayern München und Mainz 05 ordentlich zu leiten, für das ich bereits angesetzt war. In dem Ton, wie er das sagte, gab er seine Antwort gleich mit. Irgendwie schien er nicht wirklich erfreut über meine Rückkehr aus der Verletzungspause zu sein. Ich war völlig verunsichert über die, wie mir schien, Aggressivität seines Vorgehens. Ich wusste erst nicht, was ich sagen sollte, und bat ihn, mich nicht umzubesetzen. Fandel ließ sich mühsam überreden und ließ mich abschließend wissen, dass er die betreffenden Szenen des Spiels nicht in die wöchentlichen Videoszenen nehmen würde, die alle Schiedsrichter nach dem Spieltag als Lehrmaterial bekamen. Er fügte schroff hinzu, dass das sicherlich eine Ausnahme bleiben müsse. Damit war das Gespräch beendet. Und mein Sonntag genauso.
    Ich weiß noch, dass ich ungläubig in den Hörer geschaut und dem Nachhall des Amtszeichens gelauscht habe. Wie konnte er mich für regelkonforme Entscheidungen derart abmeiern? Zumal die drei Spieler bereits durch Foulspiel mit der Gelben Karte belastet waren. Dieses Telefonat war erst der Beginn einer Vielzahl von Unterredungen, die mir vorkamen wie Versuche, mir Unfähigkeit nachzuweisen. Der Vorwurf mit den drei Gelb-Roten Karten saß natürlich – aber richtig schmerzhaft war, wie wenig empathisch Fandel in diesem Gespräch mit mir umgegangen war. Denn Fandel kannte aus eigenem Erleben ganz genau die Belastung für einen Schiedsrichter, wenn ein ganzes Stadion mitsamt den Spielern außer Kontrolle zu geraten scheint.
    Gleich zu Beginn seiner Karriere als Schiedsrichter, am 10. September 1999, elf Jahre zuvor, hatte Fandel nämlich Bundesligageschichte geschrieben – mit der doppelten Anzahl von Platzverweisen, und zwar gegen ein und dieselbe Mannschaft! Volker Roth hatte Fandel damals für ein Bundesligaspiel »vermeintlich fern jeder Brisanz« angesetzt: Hansa Rostock – SSV Ulm. Auch hier eskalierte das Spiel und Fandel machte Kleinholz, schickte vier Spieler des Bundesligaaufsteigers aus Ulm vom Platz – und zusätzlich den Trainer der Mannschaft, Martin Andermatt, und den Manager gleich mit, weil sie zu heftig gegen Fandels Entscheidungen protestiert hatten. Andermatt sagte später: »Ich habe den Linienrichter nach der ersten Roten Karte nur gefragt, was das gewesen sei. Er hat unter

Weitere Kostenlose Bücher