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Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Titel: Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Babak Rafati
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von Mainz 05, die ebenfalls im Hyatt-Hotel übernachtet haben und jetzt in der Lobby auf den Mannschaftsbus warten, der sie zum RheinEnergieStadion bringen soll, herrscht Aufregung über das große Polizeiaufgebot. Schnell ahnt man, dass etwas Ungewöhnliches vorgefallen ist. Christian Heidel, Manager von Mainz 05, hat die Situation kurz vor der Abfahrt ins Stadion beobachtet und vermutet einen Unfall: »Da ist irgendwas passiert. Bei der Abfahrt haben wir gesehen, dass einer aus dem Schiedsrichtergespann fehlte«, sagt Heidel bei der Ankunft im Stadion zu seinem Kölner Kollegen, FC-Geschäftsführer Volker Finke. Um wen es bei dem Einsatz der Helfer geht, ahnen die Spieler zu diesem Zeitpunkt nicht. Erst als die Spielabsage kommt, werden sie über die Hintergründe informiert.
    13:45 Uhr: Vom Hotel aus alarmieren die Schiedsrichter ihren Chef, Herbert Fandel, den Vorsitzenden der DFB-Schiedsrichterkommission. Sie sind aufgewühlt von dem, was sie eben im Hotelzimmer erlebt haben. Als Fandel endlich begreift, was geschehen ist, hackt er die Geheimnummer von DFB-Präsident Theo Zwanziger in seine Handytastatur. Sein kurzer Kommentar: »Es ist etwas ganz Schlimmes passiert.« Zwei Minuten nach Fandels Hiobsbotschaft jagt Zwanzigers Fahrer den Dienstmercedes bereits mit durchgetretenem Gaspedal über die Autobahn Richtung Köln. Den geplanten Besuch des Frauenländerspiels der deutschen Mannschaft gegen Kasachstan in Wiesbaden bricht Zwanziger ab.
    Zwanziger ist aufgebracht. Gerade dachte er, es würde wieder Ruhe einkehren beim DFB. Die Querelen um die Vertragsverlängerung von Jogi Löw und Oliver Bierhoff, die Schiedsrichterskandale um Wettbetrug und Steuerhinterziehung sowie die Schlammschlacht zwischen den Schiedsrichtern Manfred Amerell und Michael Kempter wegen sexueller Belästigung haben Zwanziger bereits fast das Amt gekostet. Ihm wird mangelhaftes Krisenmanagement vorgeworfen. Und das alles im Umfeld der Fußballweltmeisterschaft im Sommer 2010. Das Medienecho ist verheerend. Die Vorgänge ziehen Kreise bis in den Sportausschuss des Deutschen Bundestages. Die ZEIT schreibt: »So offen und liberal Theo Zwanziger den Verband machen wollte, so geschlossen und hierarchisch wirkt der DFB im März 2010. Aus dem Sympathieträger Theo Zwanziger ist ein Präsident zum Fürchten geworden.« In der Folge gibt es Rücktritte und Rücktrittsforderungen – Zwanziger bleibt. In einer Vertrauensabstimmung stimmen alle 47 Mitglieder des DFB-Vorstandes für ihn. Zum wiederholten Male erklärt der DFB die sogenannte Schiedsrichter-Affäre für beendet. Dabei weiß Zwanziger, dass in seinem Schiedsrichterteam nach dem Rücktritt des Schiedsrichterobmanns Volker Roth im Nachklang der Affäre immer noch große Unruhe herrscht. Die Bemühungen von Roths Nachfolger, Herbert Fandel, das System Schiedsrichter im DFB zu reformieren und einen Neuanfang zu setzen, stoßen auf Widerstand. Zwanziger müssen Gerüchte zu Ohren gekommen sein, Fandels Führungseigenschaften seien nicht unumstritten. Er hört von Intrigen, gezielten Informationen über Interna, die über die Presse lanciert werden. Zwanziger weiß auch um das gespannte Verhältnis zwischen Fandel, Krug und Rafati. Es gab Zurücksetzungen. In den Medien und Fanforen – vereinzelt auch von den Vereinen – war Rafati wegen einiger umstrittener Entscheidungen massiv angegriffen worden. War der öffentliche Druck, der auf ihm lastete, zu hoch? Hatten die Verantwortlichen im DFB Rafati zu wenig den Rücken gestärkt?
    Ohne die genauen Hintergründe zu kennen, weiß Zwanziger, dass dem DFB jetzt die nächste große Belastungsprobe droht. Die seit Wochen emotional geführte Diskussion um den mörderischen Erfolgsdruck in der Liga könnte erneut aufbrechen. Ende September erst hatte der DFB den Schalke-Schock zu verkraften, als Trainer Ralf Rangnick wegen akutem Burnout die Notbremse gezogen und wie aus heiterem Himmel seinen Rücktritt erklärt hatte. Vorausgegangen war eine wochenlange Zermürbung des Trainers, die durch Stress allein nicht zu erklären ist. Ein Paukenschlag. Ein weiteres Signal, dass etwas nicht stimmt in der Bundesliga. Nur drei Wochen zuvor hatte sich Hannovers Ersatzkeeper Markus Miller (30) wegen eines akuten Burnout-Syndroms in stationäre Behandlung begeben. Und jetzt Babak Rafati? Warum? Was war sein Motiv? Sicher, er stand unter hohem öffentlichen Druck. Aber reicht das aus, sich das Leben nehmen zu wollen? Ja, es reicht aus, wenn man die Details kennt.

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