Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)
verstehe nicht, dass immer alle diskutieren, auf der Lauer liegen und mitreden, wenn so etwas Schlimmes passiert, und ansonsten nicht.« Der Druck im Profifußballgeschäft sei für alle Beteiligten in den vergangenen Jahren gestiegen, meint Podolski. »Ich erinnere mich an meine Anfangsjahre, 2004 war das noch besser und angenehmer, ruhiger als 2011. Man steht heute immer mehr im Fokus, wird immer mehr beobachtet. Der Druck wächst auf die Verantwortlichen.« Rafati und seiner Familie wünscht der Kölner Profi alles Gute: »Ich bin froh, dass es ihm besser geht. Ich habe ihn immer als guten Menschen und Schiri gekannt, mit dem man sich auch mal im Kabinentrakt unterhalten konnte. Er war immer nett und angenehm.« Felix Magath sagte dazu später: »Ich finde, dass Babak Rafati ein guter Schiedsrichter ist und außerdem ist er mir als Mensch sehr sympathisch.«
Borussia Dortmunds Trainer Jürgen Klopp steht am Abend in München vor einem wichtigen Aufholspiel gegen den FC Bayern und versucht, wieder Ruhe in seine Mannschaft zu bringen, um sich auf das Spiel zu konzentrieren: »Wir haben das vor der Mannschaftssitzung erfahren und das kurz besprochen, als die Jungs was gegessen haben, so um drei, halb vier. In der Sitzung war das kein Thema mehr. Aber wir waren schockiert, wie jeder Mensch, der das hört.« Sein Gegenspieler Jupp Heynckes: »Das ist ein Ereignis, das zu denken gibt. Da sieht man auch, dass Menschen allgemein, und besonders Schiedsrichter, unter ungeheurem Druck stehen. Das sind Dinge, die einen zum Nachdenken bringen.«
Spitzenfunktionäre wie Karl-Heinz Rummenigge und Reinhard Rauball fordern ein neues Miteinander mit den Spitzenreferees im deutschen Fußball, auch wenn ein Motiv für den Suizidversuch von Babak Rafati im privaten Bereich liegen könne. Ungeachtet der Beweggründe Rafatis bittet Rauball alle Zuschauer zu überdenken, ob gewisse Reaktionen gegenüber Unparteiischen erforderlich seien oder nicht. »Manchmal ist man ungerecht gegenüber Schiedsrichtern. Wenn man sich nachher die Zeitlupe anschaut, ist man erstaunt darüber, wie häufig der Schiedsrichter recht hat.« Zumal der Fußball in der Bundesliga in den vergangenen Jahren an Tempo ordentlich zugelegt habe und der Medienhype – auch um die Spielleiter – noch größer geworden sei. »Man muss ständig über dieses Thema reden. Ich werbe sehr dafür, dass man seine Einstellung überdenkt«, erklärt Rauball, Ligapräsident und Clubchef von Borussia Dortmund: »Ich habe nicht geglaubt, dass so etwas möglich ist in einem so nahen Umfeld zu einem Bundesligaspiel. Ich wünsche ihm, dass er diese Krankheit, die er im Moment akut hat, überwindet, dann aber auch die Ursachen beseitigen kann, die ihn dazu veranlassen mussten, eine solche Tat zu begehen.«
Niedersachsens Refereechef und Vorsitzender des niedersächsischen Verbands-Schiedsrichterausschusses, Wolfgang Mierswa, der Rafati seit fast 30 Jahren kennt, verlangt ebenfalls mehr Unterstützung für die Spielleiter. Künftig sei es umso mehr Aufgabe der DFB-Schiedsrichterkommission und der Verbandsausschüsse, »dafür zu sorgen, dass unsere Schiedsrichter von uns gestärkt werden, wenn sie von der Öffentlichkeit respektlos behandelt werden«. Zudem nennt der frühere Erstliga-Schiedsrichter Rafatis Suizidversuch »ein Alarmzeichen sondergleichen« und hofft, »dass diesmal nicht, wie nach dem Tod von Robert Enke, wieder zur Tagesordnung übergegangen wird«. Auch den Umgang mit Schiedsrichterfehlern in der Öffentlichkeit kritisiert Mierswa. In den Medien und von den Fans werde viel zu wenig wahrgenommen, »wie sehr einem Schiedsrichter ein Fehler schon auf dem Platz unter die Haut geht«. »Es gibt keinen Schiedsrichter, der nicht immer sein Bestes geben würde, und keiner von uns macht doch absichtlich etwas falsch. Wir sind eben auch nur Menschen.«
Der schwedische FIFA-Schiedsrichter Jonas Eriksson fordert die Fußballwelt anlässlich des Selbsttötungsversuchs von Bundesligareferee Babak Rafati zu mehr Achtsamkeit im Umgang mit den Unparteiischen auf und spricht von einer »unendlichen Tragödie für den Menschen Rafati«. »Man sollte sich der Tatsache bewusst sein, was man anrichten kann, wenn man dem Schiedsrichter die Schuld gibt. Der Druck ist mitunter fast unerträglich und Kritik unser täglich Brot. Ich ermahne alle, mehr nachzudenken.«
Schiedsrichter Markus Merk, dreimal Weltschiedsrichter des Jahres, mit damals über 242 Partien Rekordschiedsrichter der
Weitere Kostenlose Bücher