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Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Titel: Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Babak Rafati
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mich in den letzten Monaten verletzt hatte. Warum wurde ich hier wie ein Schwerverbrecher behandelt und ausgefragt und warum wurden meine Aussagen immer wieder bezweifelt und Fragen wiederholt? Ich verstand nicht, worauf die Fragen der Beamten abzielten und was sie bezweckten. Ich spürte, dass ungeheure Spekulationen und Mutmaßungen über meine Motive im Gange sein mussten, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun hatten.
    Die Beamten zeigten mir als Nächstes einige meiner Notizzettel, die ich während der Tat hektisch geschrieben hatte. Ich verheimlichte, dass ich ein paar dieser Notizen in der Toilette heruntergespült und andere Blätter sogar draußen vor dem Hotel entsorgt hatte. Ich betete innerlich, dass keiner sie jemals finden würde. Es war das Intimste, was ich je in meinem Leben zu Papier gebracht hatte. Oder hatten die Beamten etwa schon alles gefunden? Meine Panik nahm immer mehr zu. Die Zettel waren wie ein Zeitfenster in die gestrige Nacht und das Grauen in diesem Hotelzimmer sog mich an wie ein Staubsauger die Stubenfliege. Das war für mich zu viel des Guten, denn es kam mir vor, als würde sich alles augenblicklich noch einmal ereignen. Die Situation überforderte mich völlig. Es war alles zu viel: die Erinnerung, meine Schuld- und Schamgefühle, der Aufzug, in dem ich vor den Beamten um Haltung bemüht saß, der Schock über die Nachricht von der Spielabsage, die Angst vor möglichen Konsequenzen … Ich konnte und wollte in diesem Moment, so unmittelbar nach dem Geschehen, mit wildfremden Polizisten nicht über die Ereignisse der Nacht sprechen, nicht mal bei Rouja war mir das möglich gewesen.
    Ich kontrollierte mich und versuchte, ruhig und sachlich zu antworten. Pokerface. Nach außen: voll in meiner alten Rolle. Nach innen: völliges Chaos. Ich dachte, dass ich in meiner Unsicherheit trotzdem ruhig wirkte. Doch bei einem Beamten fiel mir auf, dass er mich immer intensiver und mit immer größeren Fragezeichen im Gesicht musterte, als wollte er verstehen, was wirklich in meinem Kopf vorging. Wenn er das erkannt hätte, wären die Beamten in der nächsten Sekunde mit mir zurück ins Krankenhaus gefahren. Ich war kurz davor, die Kontrolle zu verlieren.
    Nach 90 Minuten Vernehmung, die anscheinend alle Ermittlungen der Polizei bestätigten, die zu meiner Entlastung beitrugen, sagte mir eine Polizeibeamtin im Vorzimmer, dass der DFB-Präsident, Herr Theo Zwanziger, bereits gestern in der Polizeidirektion gewesen sei und sich große Sorgen mache, was mit mir geschehen sei, sodass ich ihn am besten zeitnah anrufen solle. Das war bestimmt gut gemeint. Aber ich war nun völlig außer mir, denn ich hatte noch nicht einmal wieder richtig Vertrauen in meine eigene Person gefasst, ich stand wie auf schwankenden Balken in einem Meer aus Problemen, und da sollte ich jetzt mal so eben den DFB-Präsidenten anrufen? Was überhaupt hatte Zwanziger in der Polizeistation zu suchen? Welche Antworten hatte er gesucht? War das der Grund für die vielen befremdlichen Fragen gewesen? Hatte er mir irgendetwas vorzuwerfen? Bestand irgendein Verdacht gegen mich, der hier nicht offen ausgesprochen wurde? Was hatte er zu Protokoll gegeben? Warum hatte er die Polizeistation besucht, wenn er was zu fragen hatte – und warum war er nicht zu mir ins Krankenhaus gekommen, wenn es etwas Dringendes zu klären gab? Ich hätte ihm die Antwort bzw. die Bestätigung seiner Informationen mitteilen können. Warum war überhaupt niemand zu mir gekommen, fiel mir plötzlich auf? Woher sollte ich das Vertrauen nehmen, ausgerechnet jetzt diesen Menschen anzurufen, mit dem ich noch nie in meinem Leben persönlich gesprochen hatte – selbst als ich Schiedsrichter der FIFA wurde? Ich fühlte mich beleidigt wegen dieser so empfundenen Taktlosigkeit, zumal ich in diesem Moment ganz andere Probleme hatte, wo ich doch gerade erfahren hatte, dass wegen mir ein ganzes Bundesligaspiel abgesagt worden war.
    Ich muss grußlos nach draußen gegangen sein. Meine Schritte wurden immer schwerer und langsamer. Eine unglaubliche Last schien sich auf mich zu senken, als ich durch den Flur zum Auto hinunterschlich, mich vor den Überwachungskameras am Eingang mit gesenktem Haupt wegduckte und mich wieder auf der Rückbank meines Autos versteckte. Überall konnten Handykameras lauern, die mich in meiner zerstörten Erscheinung an die Medien ausliefern würden. Ich sah mich auf riesigen Fotos auf allen Titelblättern der großen Boulevardzeitungen,

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