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Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Titel: Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Babak Rafati
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fuhren vor dem Polizeirevier vor. Als wir ankamen, bat ich Rouja, meinen Ausweis und die anderen persönlichen Dinge abzuholen. Ich wollte in meinem Zustand nicht aus dem Auto und spähte die ganze Zeit, ob sich jemand unserem Parkplatz näherte. Rouja kam auffällig schnell in Begleitung von zwei Polizisten zurück, die mir mitteilten, dass ich persönlich auf das Revier kommen und den Empfang bestätigen müsse. In Krankenhauskittel und Badelatschen auf ein Polizeirevier, das ist schon für gesunde Menschen eine Prüfung – für mich war es die schiere Folter. Später bekam ich im Polizeirevier ein paar Schuhe zum Anziehen. Mein Aufzug war nicht dazu geeignet, auch nur einen Schritt auf die Straße zu setzen. Ich wehrte mich und widersprach. Vergeblich. Jeder kann sich denken, wie ernst Beamte einen Mann nehmen, den sie eben noch liegend auf der Rückbank seines Autos versteckt in einem Krankenhauskittel und Badelatschen angetroffen haben. Mir blieb nichts anderes übrig. Ich befolgte die Anweisungen der Kripobeamten. Ich musste auch noch allein in die erste Etage. Rouja und meine Schwiegermutter sollten unten auf mich warten. Eine panische Angst überkam mich, wie ein Schwerverbrecher begleitet von zwei Polizisten den Flur entlangzugehen. Die ganze Situation hatte etwas Surreales. Es war ein Spießrutenlauf. Ich hatte den Impuls, mich loszureißen und zu fliehen. Ich zwang mich mit aller Kraft zur Ruhe, denn ich wollte ausgerechnet hier auf einem Polizeirevier in meinem Aufzug nicht noch weiter auffallen. Ich machte mir Mut, nach ein paar Formalitäten sei alles erledigt und ich könnte gehen. So war es aber nicht.
    In der Schreibstube angekommen, blickte der erste Polizist kaum hoch und sagte kühl, dass die Zuschauer am Vortag auf mich gewartet hätten, er aber zum Glück nicht dabei gewesen wäre. Ich rätselte nicht lange, wie seine Begrüßung gemeint gewesen war, ob es Bedauern oder Verachtung war, es gab nur eine Antwort. Mir wurde klar, dass ich es hier vielleicht mit einem Anhänger des 1. FC Köln zu tun hatte, ein Fan, der meine Bundesligakarriere nicht nur aus der Zeitung kannte – und jetzt stand ich in Klinikkleidchen und Badelatschen statt in meinem frisch gebügelten Trikot vor ihm. Während ich wartete, spürte ich immer wieder die Blicke auf mir. Und gleich kam der nächste Schwinger.
    Aus dem, was der Beamte weiter sagte, erfuhr ich – ganz beiläufig – erst die ganze Wahrheit: dass nicht nur ich ausgefallen war – sondern das gesamte Spiel komplett abgesagt worden war. 50.000 Fans, die vergeblich angereist waren. Die beiden Mannschaften, die Kamerateams … Wegen mir. Ich weiß noch, wie unter mir der Boden zu schwanken begann, so fassungslos war ich. Ich übersah jetzt zum ersten Mal, welches Beben meine Tat in der Bundesliga verursacht haben musste. »Oh Gott, was hast du angerichtet?« Ich hatte nicht nur das Ansehen der Schiedsrichter in der Öffentlichkeit geschädigt, ich hatte millionenfach die Vorfreude auf ein Fußballwochenende zerstört. Und: Eine Spielabsage durch den Ausfall eines Schiedsrichters hatte es in der Geschichte der Bundesliga noch nie gegeben. Das hatte plötzlich eine viel gewaltigere Dimension als die persönliche Tragödie eines gescheiterten Selbstmordversuchs. Ich bekam rasende Herzschmerzen. Die Beamten mussten mich verachten, so, wie ich da vor ihnen stand. Alle mussten mich verachten. Ganz Deutschland musste mich verachten. Vor Scham versank ich in den Boden. In diesem Moment wurde ich ins Vernehmungszimmer gebracht.
    Als man mich in diesen kleinen Raum mit den zwei gegenüberliegenden Holzschreibtischen setzte, befanden sich dort drei weitere Personen. Eine von ihnen schien mir ein Psychologe zu sein, aber ich weiß es bis heute nicht. Anstatt wie versprochen mir meinen Ausweis auszuhändigen, fand ich mich plötzlich in einem Verhör wieder und die Beamten fragten mich bis ins kleinste Detail aus, was am Vorabend in meinem Hotelzimmer passiert war. War jemand in meinem Zimmer gewesen? Warum waren Blutflecken nicht nur im Bad, sondern auch auf dem Bett? Ob es mein Blut gewesen sei? Ob ich wirklich sicher sei, dass niemand in mein Zimmer eingedrungen war? Ob ich mich bedroht gefühlt habe? Über eineinhalb Stunden ging das. Ich war in meinem verstörten Zustand irritiert, weil ich nicht verstand, was diese Fragen sollten, denn ich hatte doch niemandem etwas getan, sondern lediglich mich irgendwie selbst bestrafen wollen, als hilflose Reaktion auf das, was

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