Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)
Öffentlichkeit zugänglich waren.
Nachdem die Beamten abgezogen waren, fing ich an zu zittern vor Angst, wurde regelrecht hysterisch, weil sich vor mir in einer Art Flashback die Szenen aus dem Hotelzimmer wieder abspielten. Mir ging immer wieder durch den Kopf, wie tief ich gefallen war, und ich fragte mich erneut, wieder und wieder, wie die Gesellschaft mich und mein Tun bewerten würde. Ich dachte, nie wieder würde ich auf die Straße gehen können, ein Feigling und instabiler Mensch wie ich, der sich sein Leben nehmen wollte, um vor seinen Problemen zu fliehen, würde von der Gesellschaft verachtet. Mein Platz in der Gesellschaft, den ich mir über so viele Jahre so mühevoll erobert hatte, war verloren. Ich verwünschte mich und fragte mich immer wieder, wieso ich es so weit hatte kommen lassen. Ich war, wie mir schien, zwar gestresst, aber doch eigentlich völlig normal zum Spiel gefahren. Ich hatte bis zu der Tat, noch den ganzen Abend, bevor ich aufs Zimmer ging, doch niemals geplant oder auch nur darüber nachgedacht, dass ich so etwas tun wollte, geschweige denn mir das Ausmaß an Folgen vorgestellt, die mein Verhalten auslösen würde. Nun war es geschehen und ich verstand nicht, was in dieser Nacht passiert war mit mir. Diese Frage würde mich die ganzen folgenden Monate während meiner Therapie noch beschäftigen, und wenn ich heute auch vieles klarer sehe, weil ich weiß, wie krank ich war, wird mir diese Nacht in diesem unheimlichen Zimmer trotzdem für immer ein Rätsel bleiben.
Genauso ein Rätsel blieb mir das Wiedersehen mit meiner Mutter, kurze Zeit, nachdem ich aufgewacht und Rouja gekommen war. Sie hatte sich auf den langen Weg nach Köln gemacht – sie wohnt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern aus der zweiten Ehe in der Nähe von Hannover – nachdem sie die Nachricht von meiner Tat gehört hatte, obwohl es so lange Jahre zwischen uns so wenig Liebe gegeben hatte und wir ein distanziertes Verhältnis hatten. Ich sah, wie sich die Tür öffnete und sie ihren Kopf in mein Zimmer hereinsteckte. Ich fühlte in diesem Moment keine Liebe. Sie öffnete weiter die Tür, um einzutreten, doch die Ärzte wehrten ab, weil sie meine Ablehnung bemerkten. Meine Mutter lächelte eingeschüchtert und sagte zu den Ärzten nur: »Ich habe seine Stimme gehört und weiß jetzt, dass er lebt!« Und dann verschwand sie wieder. Es war die Tragik dieses Moments, dass wir ihn nicht nutzen konnten, uns in den Arm zu nehmen und alle Erinnerungen, die uns trennten, einfach vergessen zu machen. Wir hatten uns wieder verpasst. Ich musste versuchen, auch meine Kindheit im weiteren Heilungsprozessverfahren nicht zu verdrängen, sondern zu verarbeiten, indem ich einfach akzeptierte, was ist, und nicht ständig nach dem »Warum« forschte.
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Am nächsten Tag fühlte ich mich irgendwie gefestigt. Ich war zurück in einem trügerischen Modus des Machers, Typ starker Rafati, geschwächt noch, aber entschieden, alles aktiv anzugehen. Vor allem wollte ich so schnell wie möglich raus aus der Klink und heim nach Hannover, wo es mir angesichts der Flut von Medienberichten sicherer schien. Ich wollte abtauchen und mich unsichtbar machen, um aus dem Hintergrund zu ordnen, was jetzt in Scherben vor mir auf dem Boden lag. Dazu war ein psychologisches Gutachten notwendig, das meine Entlassung als unbedenklich darstellte.
Allein die Tatsache, dass sich ein Psychologe um mich kümmerte, erschien mir als Bedrohung. Was sollte das? Ich war doch kein Verrückter, dachte ich grimmig, sondern hatte gute Gründe für meine Tat, die ich energisch aufzuarbeiten gedachte. Gut, ich hatte wohl einen Blackout gehabt, der ganze Stress, die monatelange Schlaflosigkeit und der ungewohnte Alkohol in der letzten Nacht waren als Ursache plausibel. In jedem Fall gab es damit noch lange keinen Grund, mir eine psychische Erkrankung zu unterstellen. Ich war doch nicht krank und schon gar kein Fall für den Psychologen. Ich schilderte dem Psychologen ruhig und besonnen, dass ich wohl einen Blackout gehabt hatte und so etwas niemals wieder tun würde. Ich musste Wohlbefinden vortäuschen, damit ich glaubwürdig wirkte und entlassen würde. Ich nahm Haltung an, schaltete in den Konferenzmodus, wie ich ihn von Schiedsrichtertagungen und Sitzungen in der Sparkasse draufhatte, und war wieder ganz in der Rolle des smarten, überlegenen Babak, was Eindruck machte.
Der Psychologe wies mich auf die Konsequenzen hin, was es bedeuten würde, mich so
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