Ich schenk mir taeglich rote Rosen
es für eine Freundin aus?«
»Entschuldige«, sagte ich, »es war nur der erste Schreck.«
»Ist schon gut. Man fragt mich die blödesten Sachen. Zum Beispiel: Du meine Güte, läufst du denn immer noch mit diesem Baby herum?«
»Ich dachte, du nimmst die Pille?«
»Die Pille haben wir alle genommen, Wizard, Corky und Berry. Es gibt da keine Garantie, weißt du. Tagtäglich strengt jemand gegen die Pharma-Industrie einen Schadensersatzprozeß an.«
»Keine Garantie«, sagte ich wie vor den Kopf geschlagen.
»Na, deine Familie ist sicher sehr überrascht.«
»Die ist hingerissen«, sagte sie. »Sie kann es kaum erwarten, daß es da ist. Alle versprechen bereits, das Baby zu wickeln, zu füttern und mit ihm zu spielen, aber ich fürchte, es wird damit gehen wie mit Winnies Baby. Du erinnerst dich doch an Winnie? Ihre Kinder hatten ihr versprochen, daß sie keinen arthritischen Finger würde rühren müssen, wenn das Kind erst geboren wäre. Sie war von Anfang an mißtrauisch, aber weil sie schon 43 war, gab sie schließlich nach. Als es dann da war, rief sie ihre Tochter herein, damit sie es sich anschaute.
»Na«, fragte sie, »was hältst du von deinem neuen Pflegling?« Die Tochter besah sich das Baby, zuckte die Achseln und meinte:
»Ich hab’ mir’s anders überlegt, ich möcht’ doch lieber einen Hund.«
»Mensch, Barfy, du mußt dir ja total bescheuert vorkommen im Wartezimmer beim Frauenarzt. Zwischen all den jungen Dingern.«
»Das schon, aber seit wir damals unsere Kinder erwarteten, hat sich viel geändert. Die werden heutzutage im Vorbeigehen geboren. Alles ist ›natürlich‹, und der Ehemann bleibt während der ganzen Entbindung dabei. Weißt du noch, wie das bei uns war?«
»Und ob ich das weiß! Ich bin vor Angst hysterisch geworden und habe um eine Narkose gebeten … und das schon bei der ersten Schwangerschaftsberatung.«
»Jetzt ist das eine völlig andere Sportdisziplin«, seufzte Barfy. »Supersaugfähige Wegwerfwindeln, Rückentücher, damit man sie immer bei sich tragen kann, Fertigmilch, mit denen man nicht seine ganze Zeit verplempert – und eine ganz andere, entspannte Atmosphäre.«
»Bedaure, Barfy, aber für mich kommt eine Entbindung ohne Betreuung durch eine Friseuse nicht infrage. Das wäre mir zu primitiv.«
Nachts konnte ich nicht einschlafen. Vor meinem inneren Auge zogen allerlei Bilder auf.
Mit 65 eine Windelnadel verschlucken … Von meinem Baby im Kinderwagen durch den Zoo gefahren … Während der Entbindung ein Nickerchen machen … Zum Muttertag einen Herzschrittmacher geschenkt bekommen … Mit dem Kind um die Babynahrung raufen … Es verdreschen, weil es bunte Männlein auf meinen Seniorenfahrschein gemalt hat … Die erste Rentnerin werden, die zu einer Entbindung Altersruhegeld in Anspruch nimmt …
Es war einfach so: Ich wollte so alt aussehen, wie ich war, aber nicht so handeln, wie ich aussehen wollte. Außerdem wollte ich alt genug sein, um diesen komplizierten Satz zu begreifen.
Daß in diesem Land ein Kult mit der Jugend getrieben wird, weiß jeder. Die Menschheit opfert vor dem Altar straffer Haut und glänzender Haare. Auf Plakaten werden nur schmälste Taillen gezeigt, und junge Zweitfrauen werden behandelt wie gekrönte Häupter.
Hat man eine Falte, wird sie herausgebügelt. Sackt etwas, wird es geliftet. Baumelt etwas, wird es gestrafft. Steht etwas weg, muß es eingezogen werden. Graues wird gefärbt.
In meinem Freundeskreis tauchten neue Gesichter auf. Gesichter, die wie Masken wirkten.
Um ehrlich zu sein, ich hatte schon manchmal auf einem Babypopo mehr Falten gesehen. Ich weiß noch, wie begeistert ich war, als ich eines Tages einen kosmetischen Stift auftrieb, mit dem sich Falten tilgen ließen. Ich benutzte ihn und tilgte damit mein ganzes Gesicht.
In PHASEN wurde einem geraten, dem physischen Alterungsprozeß ohne Panik
entgegenzusehen, aber das war nicht so einfach, wenn alle um einen herum betonten, wie alt man aussähe.
Mit meinem Alter söhnte ich mich erst an dem Nachmittag aus, an dem ich halbverschlafen auf dem Sofa lag und mir wieder einmal den alten Film ›Sunset Boulevard‹ ansah, mit Gloria Swanson und William Holden. Ich hatte ihn schon ein dutzendmal gesehen und war immer wieder begeistert. Eben lief die große Szene, in der Bill Holden die alternde Diwa Norma Desmond verläßt. Ein Satz, den er dabei sprach, riß mich vorn Sofa. »Norma«, sagte er, »es ist nicht tragisch, fünfzig zu sein, wenn man dabei
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