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Ich schlage vor, dass wir uns küssen (German Edition)

Ich schlage vor, dass wir uns küssen (German Edition)

Titel: Ich schlage vor, dass wir uns küssen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rayk Wieland
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komische Nummern, stotternde Brillenträger mit sprechenden Handtaschen. Oder Zauberkünstler, die eine Frau durchsägen und dann feststellen, es war die falsche. Oder einen Rentner im Bademantel, der seinen Staubsauger interviewt – das ist lustig.«
    Direkt zu meinen Füßen saß eine Gruppe junger Studenten, gackelte und preßte die Lippen aufeinander. Während ich sprach, zeigte einer mit dem Finger auf mich und boxte der Nachbarin mit dem Ellenbogen in die Seite, sie stieß zurück und kicherte leise.
    »Kann sein«, sagte ich, »es gibt in meinen unveröffentlichten Gedichten ein paar lustige Stellen, doch der Vortrag hat ein ernstes Thema. Es lautet, wie Sie wissen: ›Der unbekannte unterdrückte Untergrunddichter … in der DDR-Gesellschaft‹. – Ich verstehe nicht, worüber Sie lachen. Welches Wort kommt Ihnen denn komisch vor? Unbekannter? Ist das komisch? Haha! Oder Untergrunddichter? Ist Untergrunddichter ein so lustiges Wort?«
    Der Saal platzte vor Lachen. Sogar Frau Schneider gluckste verstohlen. Der dicke Student neben ihr hielt sich grölend den Bauch. Ein anderer krähte wie ein entmannter Hahn.
    Ich sah auf die Uhr: Bereits zehn Minuten waren vergangen, und ich hatte noch gar nicht angefangen. Als die Zuhörer sich endlich etwas beruhigt hatten, versuchte ich erneut, mein Anliegen vorzubringen: »Ich glaube, Sie verwechseln hier etwas: Es gibt nämlich zwei Sorten unbekannte Dichter. Die einen sind unbekannt, weil sie es einfach nicht schaffen, bekannt zu werden, weil niemand sie zur Kenntnis nehmen will, weil sie … wahrscheinlich … wie soll ich sagen … eben nicht die richtigen Worte finden.«
    Es herrschte hochangespannte Stille.
    »Die anderen, die anderen unbekannten Dichter, und zu denen gehöre ich, unbekannterweise, sind unbekannt nur aus einem Grund: Weil sie unbekannt bleiben sollen! Und das ist gar nicht komisch. Das ist bitter, das ist eher zum Weinen. Verstehen Sie?«
    Und wie sie verstanden. Ein Sturm brach los. Sie weinten Tränen vor Lachen. Die Nachbarin des dicken Studenten schluchzte immer wieder auf in ihrem Lachkrampf. Er wischte sich mit dem Ärmel das Wasser aus den Augen.
    Alle amüsierten sich köstlich, mit Ausnahme von zwei Wachdienstleuten, die aus irgendeinem Grund am Ausgang ausharrten, mit einem strengen und unnahbaren Blick, der zu verstehen gab, daß sie hier im Dienst waren und nicht, um Spaß zu haben.
    »Kafka«, sagte ich und machte eine Pause.
    Ich verstehe bis heute nicht, was so lustig an dem Wort »Kafka« war, aber auch dies erzeugte einen Lachanfall.
    Als sich alle beruhigt hatten, teilte ich ohne Atempause mit, daß Kafka ebenfalls ein unbekannter Dichter gewesen sei und daß er, als er aus seinem Roman »Der Prozeß« las, genausolachte wie jetzt das Publikum – mit dem Unterschied, daß alle seine Zuhörer bitterlich weinten und ausriefen: »Das ist das traurigste Buch der Welt!« Oder ein anderes Beispiel: Trakl …
    Bei der Nennung des Namens Trakl kam es erneut zu Turbulenzen im Publikum.
    »Trakl«, fuhr ich fort, »Trakls Motto …«
    Es ging nicht. Ich kam nicht durch. »Trakls Motto«, wieherte einer, und es hörte nicht mehr auf.
    »Trakls Motto war bekanntlich – ich darf zitieren – ›Der Wahrheit nachsinnen – viel Schmerz.‹«
    Jetzt war Schluß. Auch die wenigen, die bis hierher noch halbwegs beherrscht zugehört hatten, prusteten los. Die feine Frau Schneider griff sich im Versuch, das Lachen zu unterdrükken, an den Hinterkopf. Der dicke Student ließ sich auf seine Nachbarin fallen, krümmte sich vor Lachen und stampfte mit beiden Beinen auf den Boden. Seine Nachbarin lachte schrill wie eine Trillerpfeife. In der Mitte des Saals fiel irgendwer vom Stuhl. Selbst einer der beiden Wachdienstmänner hatte es nun nicht mehr ausgehalten und ebenfalls angefangen zu lachen. Und dies gleich so heftig, daß er sich mit den Händen auf die Schenkel klopfte und den Hinterkopf gegen die Wand schlug. Nur sein Partner harrte nach wie vor ernst und regungslos auf seinem Posten aus.
    Muß ich noch erwähnen, wie meine Behauptung aufgenommen wurde, Untergrunddichter seien, anders als ihr Ruf, oft recht fröhliche Menschen?
    »Wolf Biermann hat immer seinen Spaß gehabt, und dieser Lutz …«
    »Ja, dieser Lutz, genau!« rief jemand.
    »… Lutz Rathenow war auch ein ausgesprochen heiterer Bursche.«
    »Heiterer Bursche! Ich fasse es nicht! Heiterer Bursche«, grölte ein junger Mann von seinem Platz aus.
    Bevor ich etwas erwidern konnte, bog

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