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Ich schreib dir morgen wieder

Titel: Ich schreib dir morgen wieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecilia Ahern
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erkennen. Verständnislos schaute ich von einer zur anderen, denn ich hatte keine Ahnung, was da vorging.
    »Mum, er ist nicht hier«, sagte ich schließlich beruhigend und versuchte Mums Hand zu nehmen. Aber sie schüttelte mich ab.
    »Doch, er ist hier. Das fühle ich.«
    »Nein, Mum, ganz sicher nicht.« Mir stiegen Tränen in die Augen. »Er hat uns verlassen.«
    Sofort fuhr sie zu mir herum und flüsterte mir zu: »Er ist nicht weg, Tamara. Das haben die immer nur behauptet, aber es stimmt nicht. Ich kann ihn
spüren

    Inzwischen weinte ich richtig. »Mum, hör auf, bitte«, schluchzte ich. »Das ist bloß … das ist bloß … das ist bloß sein Geist, den du noch in deiner Nähe spürst und der immer da sein wird. Aber er selbst ist weg … wirklich. Bitte …«
    »Ich möchte ihn sehen«, verlangte Mum, jetzt an Rosaleen gewandt.
    »Jennifer«, antwortete Rosaleen und streckte ihr die Hände entgegen, obwohl sie viel zu weit weg war, um sie berühren zu können. »Entspann dich, Jennifer, geh wieder in dein Zimmer und leg dich hin.«
    »Nein!«, rief Mum, und ihre Stimme zitterte. »Ich will ihn sehen! Ich weiß, dass er da ist. Du versteckst ihn vor mir!«
    »Mum«, schluchzte ich, »sie hat ihn nicht versteckt. Dad ist tot, er ist wirklich tot.«
    Jetzt schaute Mum mich an, und einen Augenblick sah sie sehr traurig aus. Dann jedoch war sie plötzlich wieder wütend und rannte die Treppe hinunter. Rosaleen eilte zur Tür.
    »Arthur!«, rief sie nach draußen.
    Arthur, der mit Weseley in der Auffahrt stand und Werkzeug in den Landrover lud, sah sich um.
    Inzwischen war Mum in den Garten hinausgerannt. »Wo ist er? Wo ist er?«, schrie sie immer wieder.
    »Jen, hör auf damit. Beruhige dich, alles ist gut«, versuchte Arthur sie zu beschwichtigen.
    Doch Mum ließ nicht locker. »Arthur«, beharrte sie, lief auf ihn zu und schlang die Arme um seinen Hals. »Wo ist er? Er ist hier, nicht wahr?«
    Schockiert sah Arthur zu Rosaleen.
    »Mum!«, mischte auch ich mich wieder ein. »Arthur, hilf ihr doch! Tu endlich was. Sie glaubt, Dad ist noch am Leben.«
    Arthur sah sie an, als würde ihm das Herz brechen. Dann nahm er sie in die Arme und streichelte ihr beschwichtigend über den Rücken, während Mums schmaler Körper bebte und sie ihn immer wieder schluchzend das Gleiche fragte. Wo ist er? Warum?
    »Ich weiß, Jen, ich weiß, es ist okay, Jen. Alles ist gut …«
    »Bitte helft ihr doch!«, rief ich noch einmal und schaute von Rosaleen zu Arthur, der Mum stützte. »Bringt sie irgendwohin. Holt jemanden, der ihr helfen kann.«
    »Mein Dad ist zu Hause«, warf Weseley ein. »Ich kann ihn anrufen, dann kommt er vorbei.«
    In mir krampfte sich etwas zusammen. Eine eiskalte Angst. Irgendeine Art von Instinkt. Auf einmal fiel mir das verbrannte Tagebuch ein, das Feuer in meinen Träumen. Ich musste dafür sorgen, dass Mum dieses Haus verließ.
    »Fahr sie hin, bitte«, sagte ich zu Arthur.
    Verwirrt starrte er mich an.
    »Zu Dr. Gedad«, erklärte ich leise, damit Mum mich nicht hörte.
    In diesem Moment sackte Mum in Arthurs Armen zusammen und glitt zu Boden, überwältigt von ihrem Kummer.
    Arthur nickte mir mit ernster Miene zu. Dann sah er Rosaleen an.
    »Ich bin gleich wieder da.«
    »Aber du …«
    »Ich fahre sie«, beharrte er fest.
    »Ich komme mit«, rief Rosaleen hastig, riss sich die Schürze vom Leib und rannte ins Haus. »Ich hole Jennifers Mantel.«
    »Weseley, du bleibst bei Tamara«, ordnete Arthur an.
    Weseley nickte und stellte sich neben mich.
    Kurz darauf saßen sie alle im Landrover, Mum auf der Rückbank. Sie weinte und sah schrecklich verloren aus.
    Weseley legte schützend den Arm um meine Schulter.
    »Alles wird gut«, meinte er leise.
    Bei unserer Ankunft hatte ich das Gefühl gehabt, dass Mum und ich wie zwei Schiffbrüchige hier angespült worden waren, zwei Menschen, die hustend und spuckend am Strand landeten, nachdem unser Schiff untergegangen war. Wir waren am Ende, wir besaßen nichts, gehörten nirgendwohin, hatten kein Ziel. Als würden wir in einem Warteraum ohne Türen festsitzen.
    Inzwischen hatte ich begriffen, dass Schiffbrüchige zwar alles verloren, aber auch überlebt haben. Daran hatte ich vorher nie gedacht, bis ich mir mehr oder weniger gezwungenermaßen eine dieser Naturdokumentationen anschaute, die Arthur so toll findet. Sie handelte von den Inseln im Südpazifik, die so weit voneinander entfernt liegen, dass man, mal abgesehen von den Vögeln, nicht sicher

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