Ich schreib dir morgen wieder
als diesen mottenkugeldurchsetzten, müffelnden Möbelfriedhof.
Langsam ging ich zu meinen Sachen. Weseley folgte mir und stieß beim Wühlen in den Kisten immer wieder ein fasziniertes »Wow« oder »Oh« aus. Als kleine Verschnaufpause von unseren Ermittlungen setzten wir uns nach einer Weile auf unsere ehemalige Wohnzimmercouch und blätterten in meinem Fotoalbum. Weseley lachte herzhaft über die verschiedenen Stadien meiner Pubertät.
»Ist das hier dein Dad?«
»Ja«, antwortete ich lächelnd und schaute in das fröhliche, lebendige Gesicht meines Vaters. Das Foto war beim Tanzen auf der Hochzeit eines Freundes aufgenommen worden – mein Dad hatte immer richtig gern getanzt. Obwohl er überhaupt kein guter Tänzer war.
»Er ist so jung.«
»Ja.«
»Was ist passiert?«
Ich seufzte.
»Du musst nicht darüber reden, wenn du nicht magst.«
»Nein, es macht mir nichts aus.« Ich schluckte. »Er hat nur … er hat so viele Schulden gemacht, dass er sie nicht mehr zurückzahlen konnte. Er war Bauunternehmer, sehr erfolgreich. Grundstücke überall auf der Welt. Wir wussten nicht, dass er bis zum Hals in Schwierigkeiten steckte. Er hatte gerade angefangen, seinen ganzen Besitz zu Geld zu machen, um seine Schulden zu bezahlen.«
»Und er hat euch nichts von seinen Problemen gesagt?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, dafür war er zu stolz. Und er hätte das Gefühl gehabt, dass er uns enttäuscht hat.« Meine Augen füllten sich mit Tränen. »Dabei hätte es mir nichts ausgemacht, ganz bestimmt nicht«, beteuerte ich, obwohl ich das Gefühl nicht loswurde, dass ich es zu heftig abstritt. Ich konnte mir nämlich genau vorstellen, was passiert wäre, wenn Dad mir davon erzählt hätte, dass er dabei war, alles zu verkaufen. Es hätte mir sehr wohl etwas ausgemacht – ich hätte gejammert und geklagt. Ich hätte es nicht verstanden, ich hätte nur daran gedacht, wie peinlich mir alles war und was die anderen Leute jetzt von uns denken würden. Ich hätte den Sommer in Marbella vermisst und Silvester in Verbier. Ich hätte Dad angeblafft, ich hätte ihn beschimpft, die Tür hinter mir zugeknallt und wäre wütend in mein Zimmer gestürmt. Habgieriges kleines Biest, das ich war. Aber ich wünschte mir, dass Dad mir wenigstens die Chance gegeben hätte, Verständnis für seine Lage zu entwickeln. Ich wünschte, er hätte mich gezwungen, ihm zuzuhören, er hätte mit mir geredet und wir hätten das Problem gemeinsam gelöst. Wenn wir alle wieder zusammen sein könnten, wäre es mir inzwischen gleichgültig, wo wir wohnen – in einem einzigen Zimmer meinetwegen, in der Schlossruine, wo auch immer.
»Ich würde alles dafür hergeben, um ihn zurückzukriegen«, schniefte ich. »Wir haben alles verloren, und obendrein auch noch ihn. Und wozu? Wahrscheinlich war das Schlimmste für ihn, dass man uns das Haus weggenommen hat. Das hat ihm den Rest gegeben.« Ich betrachtete die Fotos von Dad beim Golfen mit Mum, wie er mit ernstem Gesicht dem Ball nachblickte. »Alles hätten sie ihm nehmen können, aber nicht das Haus.«
Ich blätterte um, und jetzt mussten wir beide lachen. Ich in Disney World, wie ich Mickymaus umarmte, grinsend, mit einer riesigen Zahnlücke.
»Bist du nicht … keine Ahnung … bist du nicht sauer auf deinen Vater? Wenn mein Dad so was tun würde, ich weiß nicht …« Weseley schüttelte den Kopf. Anscheinend konnte er es sich nicht vorstellen.
»Ich war ja auch wütend«, antwortete ich. »Sogar schrecklich wütend, und das ziemlich lange. Aber in den letzten Wochen habe ich angefangen, darüber nachzudenken, was er durchgemacht haben muss. Selbst wenn es mir ganz dreckig geht, würde ich nie auf die Idee kommen, mich umzubringen. Er muss unglaublich unter Druck gestanden und sich absolut elend gefühlt haben. Er hat keinen Ausweg mehr gesehen, er hat sich so hilflos gefühlt, dass er einfach nicht mehr hier sein wollte. Und … na ja, als er tot war, konnte man uns nicht noch mehr wegnehmen. So hat er Mum und mich beschützt.«
»Glaubst du, er hat es für euch getan?«
»Ich glaube, er hatte viele Gründe. Lauter falsche Gründe, aber für ihn haben sie sich wohl richtig angefühlt.«
»Ich finde, du bist sehr tapfer«, sagte Weseley, und ich schaute zu ihm auf und versuchte, nicht zu weinen.
»Ich fühle mich überhaupt nicht tapfer.«
»Bist du aber«, sagte er und sah mir tief in die Augen.
»Ich habe schrecklich viele und schrecklich peinliche Fehler gemacht«,
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