Ich schreib dir morgen wieder
Weseley, es steht im Tagebuch. Ich muss es verhindern. Ruf die Feuerwehr.«
»Tamara, das ist bloß ein Buch, es hatte nur …«
»… jeden Tag recht mit seiner Vorhersage«, ergänzte ich.
Weseley nickte.
»Was ist das denn?«, fragte Mum in diesem Moment und trat ans Fenster.
Über den Baumwipfeln stiegen Rauchschwaden zum Himmel auf.
»Rosaleen«, sagte Schwester Ignatius auf einmal so giftig, dass mir ganz kalt wurde. »Ruf die Feuerwehr, schnell«, sagte sie zu Weseley.
»Und gib mir den Schlüssel«, rief ich. Weseley gab ihn mir, und ich rannte damit aus dem Zimmer. »Ich muss ihn da rausholen. Ich will ihn nicht noch mal verlieren.«
Ich hörte, wie sie mir nachriefen, aber ich ließ mich nicht beirren und rannte einfach weiter. Ich konnte jetzt nicht stehen bleiben. Quer durch den Wald lief ich, immer dem Brandgeruch nach, der mich direkt zum Bungalow führte. Ich hatte den Vater verloren, der mich aufgezogen hatte. Und ich wollte nicht noch einen Vater verlieren.
Kapitel 24
Träume von toten Menschen
Als ich den Bungalow erreichte, parkte bereits ein Streifenwagen davor. Auf dem Rasen standen Rosaleen und ihre Mutter. Ein ziemlich ungeduldiger Polizist redete auf sie ein und bestürmte sie mit Fragen, ob denn wirklich niemand mehr im Haus war. Aber Rosaleen jammerte nur laut, schlug die Hände vors Gesicht, drehte sich plötzlich wieder zum Haus um, als müsste sie eine Entscheidung treffen, der sie nicht gewachsen war. Neben dem Polizisten entdeckte ich Arthur, der ebenfalls mit Rosaleen zu reden versuchte, sie anblaffte, an den Schultern rüttelte und offenbar dringend etwas von ihr wissen wollte.
»Er ist in der Werkstatt!«, hörte ich sie kreischen, als ich näher kam.
»Nein, da ist er nicht, ich hab nachgesehen!«, brüllte Arthur.
»Aber da muss er sein«, beharrte sie. »Er muss! Er schließt immer seine Zimmertür ab, wenn er in die Werkstatt geht.«
»Wen meinen Sie denn überhaupt?«, fragte der Polizist zum wiederholten Mal. »Wer ist im Haus?«
»Er ist nicht da«, entgegnete Arthur heiser. »Herrgott nochmal, Rosaleen, was hast du angestellt?«
»O mein Gott!«, zeterte Rosaleen weiter, ohne darauf einzugehen. Ihre Mutter weinte leise.
In der Ferne heulten Sirenen.
Aber ich ignorierte sie alle, rannte unbemerkt an ihnen vorbei, den Seitenweg hinunter und durch die Hintertür in den Bungalow. Überall war Rauch, füllte den Korridor, so schwarz und dick, dass ich kaum Luft bekam. Würgend und japsend fiel ich auf die Knie, meine Augen brannten, aber wenn ich sie rieb, wurde es nur noch schlimmer. Zum Glück hatte ich daran gedacht, meine Jacke draußen unter den Wasserhahn zu halten, und nun presste ich sie vor Mund und Nase, was das Atmen etwas erleichterte. Mit zusammengekniffenen Augen tastete ich mich an der Wand entlang. Der Plastikbelag unter meinen Füßen war gefährlich heiß, und ich blieb mit den Gummisohlen meiner Turnschuhe immer wieder kleben, aber ich versuchte, möglichst nah am Rand zu gehen, wo der Boden gefliest war, und arbeitete mich so langsam zu Lauries Zimmertür vor. Vorsichtig legte ich die Hand auf die Klinke, aber das Metall war so heiß, dass ich mich verbrannte und erschrocken zurückzuckte. Gekrümmt vor Schmerzen, hustend und würgend, mit tränenden Augen stand ich da und hielt meine verbrannte Hand. Durch die offene Tür am Ende des Korridors konnte wenigstens ein Teil des Qualms abziehen, und zum Glück war diese Tür nicht allzu weit entfernt. Wenn es gar nicht mehr ging, hatte ich wenigstens eine Fluchtmöglichkeit.
Nach einigen Fehlversuchen gelang es mir, den Schlüssel ins Schloss zu manövrieren. In der Hoffnung, dass es nicht geschmolzen war, drehte ich den Schlüssel und trat dann einen Schritt zurück, so dass ich die Klinke mit dem Fuß herunterdrücken konnte. Die Tür schwang auf. In einem dicken Rauchschwaden trat ich ein und schubste die Tür schnell wieder zu. Die Fotos hatten sich an den Ecken aufgerollt, aber ich konnte kein Feuer sehen, nur Rauch, dicker schwerer Qualm, der beim Atmen in den Lungen schmerzte. Als ich zu rufen versuchte, musste ich husten, hoffte aber, dass Laurie mich hörte und zur Kenntnis nahm, dass ich da war.
Ich tastete ich mich am Bett entlang, und auf einmal fühlte ich seinen Körper, sein Gesicht. Sein schönes Gesicht, so voller Narben, zerstört wie das Schloss, dessen Geschichte mich vom ersten Moment an angezogen hatte. Seine Augen waren geschlossen, ich ertastete die Lider. Ich
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