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Ich schreib dir morgen wieder

Titel: Ich schreib dir morgen wieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecilia Ahern
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schüttelte ihn sanft, um ihn zu wecken, aber er zeigte keine Reaktion. Wahrscheinlich war er bewusstlos. Hinter mir spürte ich die Hitze und ahnte das Feuer. Es würde uns hier einschließen, hier in diesem Fotozimmer. Verzweifelt zerrte ich an den Netzgardinen, und tatsächlich drang ein bisschen Licht in das graue, verrauchte Zimmer. Ich tastete nach dem Fenstergriff, aber das Fenster war verriegelt, und ich konnte nirgends einen Schlüssel entdecken. Kurz entschlossen hob ich einen Stuhl hoch und schleuderte ihn gegen die Scheibe, doch sie hielt dem Angriff stand. Ich versuchte, Laurie vom Bett zu ziehen, ihn zum Aufstehen zu zwingen, aber er war zu schwer. Allmählich wurde ich müde, meine Kräfte ließen nach, mir war schwindlig, und so legte ich mich schließlich neben ihn und versuchte wieder, ihn zu wecken. Als alles erfolglos blieb, nahm ich einfach seine Hand und schmiegte mich an ihn. Ich hatte nicht vor, ihn jemals wieder zu verlassen.
    Anscheinend schlief ich ein oder verlor das Bewusstsein, denn auf einmal träumte ich vom Schloss, von einem Bankett: ein langer Tisch, beladen mit Fasan und Spanferkel, von Fett und Fleischsauce triefend, Entenbraten, Gemüse aller Art, Wein und Champagner. Dann war Schwester Ignatius bei mir, und sie rief mir zu, ich sollte schieben, aber ich wusste nicht, was. Ich konnte sie nicht sehen, ich hörte nur ihre Stimme. Dann verschwand die Dunkelheit, der Raum füllte sich mit einem wunderschönen Licht, und Schwester Ignatius hielt mich im Arm. Kurz darauf befand ich mich wieder auf der Glaswiese, rannte und rannte, verfolgt von Rosaleen, die mir dicht auf den Fersen war. Genau wie vorhin hielt ich auch jetzt Weseleys Hand, aber es war gar nicht Weseley, nein, es war Laurie. Nicht so, wie ich ihn heute kennengelernt hatte, sondern der Laurie von den alten Fotos, schön, jung, schelmisch. Er drehte sich um und lächelte mich an, sein Mund öffnete und schloss sich, ich sah seine makellosen weißen Zähne und erkannte plötzlich, wie sehr wir uns ähnelten. Mir fiel ein, dass ich mich immer gewundert hatte, wie wenig Ähnlichkeit ich mit Mum oder Dad hatte, und nun leuchtete mir auf einmal alles ein. Lauries Nase, sein Mund, seine Wangen, seine Augen – alles wie bei mir. Er hielt meine Hand und versprach mir, dass alles gut werden würde. Wir rannten nebeneinanderher, lachten und machten uns keine Sorgen wegen Rosaleen, denn sie konnte uns nicht mehr einholen. Gemeinsam liefen wir der ganzen Welt davon. Dann sah ich meinen Vater, am Ende der Wiese, der klatschte und uns anfeuerte, als wäre ich wieder ein Kind, beim Wettlauf im Rugby-Club. Auf einmal war Laurie verschwunden, und einen Moment war Mum bei mir. Wir waren an den Beinen zusammengebunden für das Dreibeinrennen, genau wie damals, als ich klein war. Mum wirkte nervös und machte ein ängstliches Gesicht, aber dann war sie auch schon verschwunden, und an ihrer Stelle war Laurie wieder da. Wir rannten, stolperten, und da war mein Dad, lachte und jubelte, winkte uns vorwärts, erwartete uns mit offenen Armen, bereit, uns aufzufangen, wenn wir die Ziellinie überquerten.
    Dann explodierten die Glasmobiles überall um uns herum, zerbarsten in Millionen winziger Scherben, und ich verlor Lauries Hand. Ich hörte Dad meinen Namen rufen und öffnete vorsichtig die Augen. Das Zimmer war voller Glas, auf unseren Körpern, auf dem Boden. Ich sah eine Klaue, eine riesige gelbe Klaue, durch das Fenster verschwinden, und der Qualm zog hinaus. Aber das Feuer wütete weiter, fraß die Fotos, brauste erbarmungslos über sie hinweg, verschlang alles um uns herum. Uns sparte es sich auf bis zuletzt. Wir waren als Nächste an der Reihe. Doch da sah ich Arthur. Und Schwester Ignatius. Ich sah das Gesicht meiner Mutter, lebendig, konzentriert, voller Angst. Sie war draußen, ging umher, redete, und trotz aller Panik fühlte ich mich unendlich erleichtert. Dann plötzlich wurde ich hochgehoben und nach draußen getragen. Ich hustete und spuckte, ich bekam keine Luft, lag auf der Wiese und konnte nicht atmen. Ehe ich die Augen schloss, sah ich noch einmal meine Mutter, spürte ihren Kuss auf meiner Stirn, und dann beobachtete ich noch, wie sie Laurie umarmte, weinend und schluchzend, wie ihre Tränen auf sein Gesicht fielen, als könnten sie ganz allein das Feuer zwischen ihnen löschen.
    Zum ersten Mal, seit ich meinen Vater auf dem Boden in seinem Arbeitszimmer gefunden hatte, wich alle Anspannung aus meinem Körper.

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