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Ich schreib dir morgen wieder

Titel: Ich schreib dir morgen wieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecilia Ahern
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dem Boden.
    »Rosaleen!«, rief ich zu Tode erschrocken.
    »Was machst du denn da?«, erkundigte sie sich flüsternd.
    »Ich wollte mir ein Glas Wasser holen. Ich hab Durst.«
    »Komm, ich geb es dir.«
    »Nein«, zischte ich. »Ich mach das selber. Geh du wieder ins Bett.«
    »Ich bleibe ein bisschen bei dir sitzen, während du …«
    »Nein, Rosaleen«, protestierte ich mit erhobener Stimme. »Du kannst mir wirklich ein bisschen mehr Freiraum lassen. Ich trinke nur schnell ein Glas Wasser, dann geh ich auch wieder ins Bett.«
    »Okay, okay.« Rosaleen hob die Hände und kapitulierte. »Gute Nacht.«
    Ich wartete auf das Knarren der Treppenstufen. Dann hörte ich, wie die Tür geschlossen wurde, Rosaleens Schritte bewegten sich durchs Zimmer, dann ächzten die Bettfedern. Sofort rannte ich zum Telefon zurück und wählte Weseleys Nummer. Nach einem halben Klingeln war er dran.
    »Hi, Nancy Drew.«
    »Hi«, flüsterte ich. Dann wurde ich plötzlich ganz unsicher und stockte.
    »Und – hast du das Tagebuch inzwischen gelesen?«
    Verzweifelt hielt ich Ausschau nach einem Zeichen. Sollte ich es ihm erzählen oder lieber doch nicht? Ich spitzte die Ohren nach einem Unterton in seiner Stimme – machte er sich über mich lustig? Lockte er mich in eine Falle? Hatte er den Lautsprecher an seinem Telefon eingeschaltet, damit er sich mit seinen sämtlichen Hinterwäldlerfreunden über mich amüsieren konnte? Ihr wisst schon, die Art Witz, die ich gemacht hätte, wenn irgendein neuzugezogener Depp uneingeladen auf meine Party gekommen wäre und angefangen hätte, mir irgendeinen Mist von einem Tagebuch zu erzählen, in dem die Zukunft prophezeit wird.
    »Tamara?«, hakte er nach, und ich konnte keinen Unterton ausmachen, nichts, was mich dazu bewogen hätte, mein Vorhaben zu ändern.
    »Ja, ich bin noch dran«, flüsterte ich.
    »Hast du das Tagebuch gelesen?«
    »Ja.« Ich dachte angestrengt nach. Natürlich konnte ich behaupten, dass ich ihn nur auf den Arm genommen hatte – ein total witziger Scherz, harr, harr, ungefähr so lustig wie der, dass mein Dad an Hodenkrebs gestorben war. Oh, wir würden uns den Bauch halten vor Lachen!
    »Und? Komm schon, du hast mich schon bis elf warten lassen«, drängelte er. »Ich hab mir alle möglichen Sachen ausgedacht. Gibt es ein Erdbeben? Oder kennst du die Lottozahlen? Ist irgendwas dabei, womit wir vielleicht reich werden können?«
    »Nein«, antwortete ich und musste unwillkürlich lächeln. »Bloß langweilige Gedanken und Gefühle.«
    »Aha«, erwiderte er, aber ich hörte, dass auch er lächelte. »Also los, raus damit. Die Prophezeiung, bitte …«
     
    In der Nacht wurde ich alle halbe Stunde wach, denn der Gedanke daran, was wohl am kommenden Tag passieren würde, ließ mir keine Ruhe. Um halb vier morgens hielt ich es nicht mehr aus und griff nach dem Tagebuch, um zu sehen, was sich verändert hatte und was der nächste Tag bringen würde.
    Ich tastete nach der Taschenlampe neben dem Bett und schlug mit wild klopfendem Herz das Buch auf. Eine Weile musste ich mir die Augen reiben, weil ich gar nicht glauben konnte, was da vor meiner Nase passierte. Worte erschienen, verschwanden wieder, halbe, völlig sinnlose Sätze tauchten auf und waren genauso schnell wieder weg. Die Buchstaben schienen vom Papier zu hüpfen, alles geriet durcheinander, Chaos breitete sich aus. Es kam mir vor, als wäre das Tagebuch genauso verwirrt wie ich, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, vom Formulieren ganz zu schweigen. Kurz entschlossen klappte ich das Buch zu und zählte bis zehn. Dann öffnete ich es wieder, voller Hoffnung. Aber die Wörter hüpften immer noch ohne Sinn und Verstand über die Seiten.
    Meine Pläne mit Weseley hatten den morgigen Tag eindeutig beeinflusst, doch es war offensichtlich unklar, auf welche Weise. Vermutlich hing das davon ab, wie ich den Tag lebte, nachdem ich aufgewacht war. Die Zukunft war noch nicht geschrieben, sie lag noch in meinen Händen.
    In den Momenten, in denen ich es schaffte zu schlafen, träumte ich von zerspringendem Glas: Ich rannte über die Glaswiese, aber es war ein stürmischer Tag, Scherben flogen umher, zerkratzten mein Gesicht, meine Arme, meinen Körper, drangen unter meine Haut. Aber ich konnte einfach nicht zum Ende des Gartens gelangen, sondern verlief mich ständig zwischen den Reihen der Mobiles, und am Fenster des Schuppens stand eine Gestalt und beobachtete mich, das Gesicht halb hinter langen, verfilzten Haaren

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