Ich schreib dir morgen wieder
klar.«
Er lachte. »Also, was passiert morgen?«
»Das habe ich noch nicht gelesen.«
Gestern Abend hatte ich das Haus verlassen, bevor der Eintrag im Tagebuch aufgetaucht war, und heute Vormittag war ich mit meinen ganzen Projekten so beschäftigt gewesen, dass ich keine Zeit zum Lesen gehabt hatte.
Weseley sah mich argwöhnisch an. Ich meine, ich konnte die Geschichte ja selbst kaum glauben, obwohl ich wusste, dass ich keine Lügen erzählte.
»Ich lese es nachher, wenn ich wieder in meinem Zimmer bin, und ruf dich später an. Bist du zu Hause? Schließlich möchte ich dich und Juhuuu ja nicht unnötig stören.«
»Na gut, dann ruf mich eben später an«, antwortete er lachend und wandte sich zum Gehen. »Übrigens ist sie nicht meine Freundin.«
»Ja, klar«, rief ich zurück.
Zu Hause setzte ich mich demonstrativ zu Arthur und Rosaleen ins Wohnzimmer und tat so, als würde ich das Buch lesen, das Fiona mir geschenkt hatte. Als ich nicht mehr länger warten konnte, fing ich an zu gähnen, reckte und streckte mich, verabschiedete mich schließlich und ging hinauf in mein Zimmer. Dort holte ich das Tagebuch aus seinem Versteck unter dem losen Dielenbrett, stellte den Stuhl vor die Tür, machte es mir gemütlich und schlug das Buch auf. Hoffentlich begann der Eintrag schon mit dem morgigen Vormittag.
Ich hatte das Buch noch kaum aufgeklappt, da sah ich schon die Worte des vorherigen Eintrags verschwinden, als hätte der neue Tag die Tinte gelöscht, und an ihrer Stelle erschien in Schönschrift –
meiner
schönsten Schrift –, in hübschen Schwüngen und Kurven, ein Wort nach dem anderen, so schnell, dass ich kaum mitkam. Gleich die erste Zeile machte mich nervös.
Montag,
6
. Juli
Was für ein Desaster! Wie verabredet ist heute früh Dr. Gedad erschienen. Um zehn verschwand Rosaleen zur Raubtierfütterung im Bungalow, genau wie ich es vorhergesehen hatte. Ich hab ihr nachgeschaut, um mich zu vergewissern, dass unterwegs nichts herunterfiel oder so, denn so ein Unfall hätte unweigerlich dazu geführt, dass sie frühzeitig wieder angerannt gekommen wäre. Pünktlich um Viertel nach zehn traf Dr. Gedad ein. Ich schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass Rosaleen nicht aus dem Fenster schaute und sein Auto sah, denn das hatte ich ja leider nicht unter Kontrolle. Ich konnte nur dafür sorgen, dass sein Besuch bei meiner Mum möglichst zügig verlief und Dr. Gedad so schnell wie möglich wieder verschwand. Deshalb erwartete ich ihn schon an der Tür. Ich fand ihn auf Anhieb ausgesprochen nett. Wie sollte das bei einem Sohn wie Weseley auch anders sein? Wir standen noch in der Diele, als die Haustür aufging und Rosaleen hereinstürzte. Ehrlich, als sie den Arzt entdeckte, machte sie ein Gesicht, als wäre sie von der Polizei bei irgendwas in flagranti erwischt worden. Dr. Gedad schien aber nichts davon zu merken. Freundlich und zuvorkommend stellte er sich vor, weil er und Rosaleen sich noch nicht kannten. Rosaleen hat ihn angestarrt, als wäre ein Alien in ihr geliebtes Heim gebeamt worden. Dann hat sie einen ziemlich nervösen Vortrag über ihren Apfelkuchen vom Stapel gelassen; sie hatte ihn probiert und statt Zucker war Salz drin, was ihr angeblich zum allerersten Mal in ihrem Leben passiert war. Sie machte einen echt aufgelösten Eindruck – als wäre dieses Versehen das Schlimmste, was einem Menschen passieren konnte. Jetzt wollte sie den anderen Kuchen holen, den sie eigentlich für uns zum Abendessen gebacken hatte, aber bestimmt waren Arthur und ich bereit, auf ihn zu verzichten, wenn sie ihn jetzt zu ihrer Mutter brachte. Ich meine, es war doch bloß ein Apfelkuchen! Aber sie hat richtig gezittert. Ich weiß nicht, ob sie so fertig war, weil sie einen Fehler gemacht hatte, oder ob es eher darum ging, dass ich hinter ihrem Rücken einen Arzt für Mum geholt hatte. Dr. Gedad erkundigte sich nach ihrer Mutter, weil er wohl gehört hatte, dass es ihr nicht gutgeht, und dann hat sich die Situation so verdreht entwickelt, dass Dr. Gedad sich am Ende mit Rosaleen in die Küche setzte, um sich zu unterhalten, und mich haben sie nicht reingelassen. Als sie fertig waren, meinte der Arzt zu mir, er wäre sicher, dass seine Anwesenheit hier nicht benötigt wird und dass ihm mein Verlust sehr leidtue, und dann hat er mir irgend so eine Therapiebroschüre in die Hand gedrückt. Und weg war er.
Jetzt ist alles noch schlimmer als vorher. Ich halte es echt bald nicht mehr aus. Ich will hier nicht bleiben. Wenn
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