Ich schreib dir morgen wieder
irgendwas mit Mum besprechen?«
»Wie meinst du das?« Klapper, klapper, krach, peng. Volle Kraft voraus in der Küche.
»Du weißt doch, was ich meine.« Ich sprang auf und trat neben sie, aber sie wollte mich nicht ansehen. »Mum spricht nicht, sie ist nicht zurechnungsfähig. Ich verstehe nicht, warum ihr das nicht endlich mal zugeben könnt.«
»Deine Mum ist einfach nur …
traurig
, Tamara.« Jetzt unterbrach sie ihr Gewusel und starrte mich an. »Wir müssen ihr Zeit und Raum lassen, damit sie das alles verarbeiten kann, was in letzter Zeit passiert ist. Also, jetzt sei ein braves Mädchen und hol mir bitte die Eier aus dem Kühlschrank, dann zeige ich dir, wie man ein schönes Omelett macht«, sagte sie und lächelte. »Wie wäre es, wenn wir für dich ein bisschen Paprika reinschnippeln?«
»Paprika«, wiederholte ich forsch. »Wunderhübsche, saftige
Paprika
, die alle unsere Probleme löst«, säuselte ich, schlurfte dann zum Kühlschrank, und Rosaleen sah mir mit betroffenem Gesicht nach. »Oh, guten Tag, Mrs Grüne Paprika«, fuhr ich sarkastisch fort, »könnten Sie bitte ein Problem für mich lösen? Wo werde ich im September zur Schule gehen?« Ich hielt die Paprika an mein Ohr und lauschte. »O nein, anscheinend funktioniert es nicht«, stellte ich mit gespielter Enttäuschung fest und schüttelte das Gemüse ein paarmal kräftig durch. »Vielleicht sollte ich es mal mit einer roten probieren. Hallo, Mr Rote Paprika, Rosaleen meint, Sie können die Probleme meines Lebens lösen. Was glauben Sie, was wäre das Beste? Sollen wir Mum in die Klapsmühle schicken oder lieber für alle Zeiten in dem Zimmer da oben rumsitzen lassen?« Ich lauschte wieder. »Nein. Nichts«, verkündete ich und warf die Paprika auf die Arbeitsplatte. »Sieht aus, als wären die Damen und Herren heute indisponiert. Vielleicht sollten wir es mal mit den Zwiebeln versuchen«, schlug ich mit gespielter Begeisterung vor. »Oder mit geriebenem Käse!«
»Tamara«, ertönte in diesem Moment Arthurs Stimme. Der warnende Unterton war nicht zu überhören. Wortlos verließ ich die Küche und zog mich schmollend ins Wohnzimmer zurück. Obwohl man dort eigentlich nicht essen durfte, brachte Rosaleen mir mein Omelett. Ein anständiger Mensch hätte die Gelegenheit genutzt, um sich zu entschuldigen, aber ich verlangte stattdessen nur das Salz.
Um zehn beobachtete ich, wie Rosaleen mit dem üblichen Tablett aus dem Haus eilte, und zu meinen ganzen Sorgen kam nun auch noch die, dass ihre Mutter ihr womöglich von meinem Besuch erzählen würde. Nur weil ich davon nichts in das Tagebuch geschrieben hatte, konnte ich ja nicht davon ausgehen, dass sie es verschweigen würde. Pünktlich um Viertel nach zehn hielt Dr. Gedads Auto vor dem Haus. Ich holte tief Luft und öffnete die Tür.
»Du bist bestimmt Tamara«, begrüßte er mich noch vom Gartenweg aus, so freundlich, dass ich nicht anders konnte, als zurückzulächeln. Er war groß, schlank und sah fit aus. Seine Haare hatten graue Strähnen und waren ordentlich gekämmt, die hohen Wangenknochen und die sanften Augen verliehen ihm etwas Weibliches, obwohl er trotzdem maskulin und sehr attraktiv wirkte. Ich hieß ihn willkommen und schüttelte ihm die Hand.
»Guten Morgen! Wir haben einen wunderschönen Sommer dieses Jahr, nicht wahr?« Seine Stimme klang ein bisschen heiser, gedämpft, aber angenehm singend. In seinen madagassischen Akzent mischten sich Worte, die er original irisch aussprach. Ein wundervoller, einmaliger Klang, und ich freute mich, dass jemand für frischen Wind in dieser allzu stillen und abgeschiedenen Gegend sorgte. Vielleicht würde er ja ein bisschen Leben in die Bude bringen.
»Darf ich Ihnen die Tasche abnehmen?«, fragte ich, nervös, zittrig, unsicher. Besorgt sah ich zur Tür.
»Nein danke, Tamara, die brauche ich«, lächelte er.
»O ja, natürlich.«
»Ich soll nach deiner Mutter schauen, richtig?«
»Ja, sie ist oben. Ich zeige Ihnen den Weg.«
»Danke, Tamara. Die Sache mit deinem Vater tut mir sehr leid. Weseley hat mir davon erzählt. Ihr macht bestimmt eine sehr schwere Zeit durch, du und deine Mutter.«
»Ja. Danke«, lächelte ich und versuchte, den Kloß in meinem Hals herunterzuschlucken, der sich immer bildete, wenn jemand Dad erwähnte.
Doch gerade als ich Dr. Gedad den Weg zu meiner Mutter zeigen und mich schon fast der Illusion hingeben wollte, dass mein Plan funktionierte – ich hoffte so, Mum wiederzubekommen, auch wenn mich der
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