Ich schreib dir morgen wieder
versteckt. Doch jedes Mal, wenn ein Blitz aufzuckte, glaubte ich Rosaleen zu erkennen. Schweißgebadet, mit heftig klopfendem Herzen, erwachte ich und hatte solche Angst, dass ich mich kaum traute, die Augen aufzumachen. Irgendwann schlief ich wieder ein, nur um direkt wieder in den gleichen Traum zurückzugleiten. Um Viertel nach sechs konnte ich mich nicht mehr zum Schlafen zwingen und stand auf. Und obwohl doch mein ganzer Plan darauf beruhte, dass ich Mum helfen wollte, wieder sie selbst zu werden, hoffte ich, als ich nach ihr schaute, im Stillen, dass sie noch nicht okay war. Ich weiß nicht, warum – natürlich wünschte ich mir von ganzem Herzen, dass es ihr bald besserging –, aber es gibt seltsamerweise immer einen Teil in einem Menschen, der die Dunkelheit nie verlassen möchte, einen Teil, der sich gern im Schatten versteckt und den Selbstzerstörungsknopf bewacht.
Als ich um Viertel vor sieben nach unten kam, war außer mir noch niemand auf den Beinen. Das war, seit ich hier wohnte, noch nie passiert. Ich machte mir eine Tasse Tee, setzte mich ins Wohnzimmer und versuchte, mich auf Fionas Buch über das unsichtbare Mädchen zu konzentrieren. Bisher hatte ich ungefähr einen Abschnitt am Tag gelesen, aber anscheinend versank ich heute, ohne es selbst zu merken, so darin, dass ich weder sah noch hörte, wie der Postbote zum Haus kam. Erst das Geräusch, mit dem die Post auf der Matte in der Diele landete, holte mich aus meiner Trance. Da ich gern jede Gelegenheit nutzte, um in diesem Haus, wo alles so präzise ablief wie ein Schweizer Uhrwerk, einmal etwas anders zu machen, ging ich zur Tür, um die Briefe zu holen. Aber in dem Moment, als ich mich bückte, schnappte eine Hand mir den Packen buchstäblich vor der Nase weg – als wäre ein Geier aus der Luft herabgestoßen, um blitzschnell sein Opfer zu packen.
»Lass nur, Tamara, ich mach das schon«, zwitscherte Rosaleen und stopfte die Post in ihre Schürzentasche.
»Ich wollte die Briefe bloß aufheben, Rosaleen. Nicht lesen.«
»Natürlich nicht«, erwiderte sie, als wäre ihr der Gedanke nie in den Kopf gekommen. »Aber du sollst hier einfach nur ausspannen und deine Ferien genießen«, lächelte sie und tätschelte mir die Schulter.
»Danke«, sagte ich, ebenfalls lächelnd. »Du kannst dir trotzdem manchmal ein bisschen helfen lassen«, fügte ich hinzu und folgte ihr in die Küche.
»Ach, ich mach das gern«, beteuerte sie und begann mit den Frühstücksvorbereitungen. »Und Arthur hat viele Fähigkeiten, aber er würde sein Frühstücksei bis September kochen, wenn man ihn lässt«, kicherte sie.
»Apropos September – wie sieht es damit eigentlich aus?«, fragte ich. »Mum und ich wollten ursprünglich doch nur den Sommer über hierbleiben. Jetzt ist Juli, und na ja, es hat mir nie jemand was gesagt, wie es im September weitergehen soll.«
»Ja, bald hast du Geburtstag«, erwiderte Rosaleen mit leuchtenden Augen, ohne auf meine Frage einzugehen. »Wir müssen uns dringend darüber unterhalten, was du da machen möchtest. Magst du deine Freunde in Dublin besuchen?«
»Am schönsten würde ich es finden, wenn ein paar Freunde hierherkommen könnten«, antwortete ich. »Damit sie mal sehen, wo ich jetzt wohne und was ich den ganzen Tag so mache.«
Rosaleen sah mich regelrecht verstört an. »Hier? Oh …«
»War ja nur so eine Idee«, ruderte ich umgehend zurück. »Für Laura und Zoey ist es ja ganz schön weit, und es wäre wahrscheinlich auch zu viel Aufwand für euch …«
Eigentlich rechnete ich fest damit, dass sie mir ins Wort fallen und mir meine Sorgen ausreden würde, aber sie unternahm nichts dergleichen.
»Na egal, ich möchte sowieso lieber über meine Zukunft sprechen als über meinen Geburtstag«, wechselte ich schließlich das Thema. »Wenn wir im September noch hier sind – und es sieht ja ganz danach aus –, wie komme ich denn dann nach St. Mary’s? Es gibt keinen Bus in der Nähe. Und ich bezweifle, dass Arthur mich jeden Tag zur Schule bringen und wieder abholen möchte …« Ich brach ab und wartete, dass Rosaleen mir eine Lösung des Problems vorschlug. Doch sie blieb mir erneut eine Antwort schuldig und klapperte nur wie jeden Morgen mit Töpfen und Pfannen. Genau die Geräusche, von denen ich sonst immer wach geworden war.
»Na ja, das solltest du wahrscheinlich mit deiner Mutter besprechen«, meinte sie schließlich. »Keine Ahnung, wie ihr das regeln wollt.«
»Aber Rosaleen, wie soll ich denn
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