Ich sehe dein Geheimnis
herausgefunden. Gabriel Toscano war dort.«
Justin runzelte die Stirn. »Er war nur kurz drinnen und kam mit einer Tüte Essen wieder heraus. Ich glaube nicht, dass ihn das verdächtig macht.«
»Er war dort, am selben Ort wie das Opfer, und hat es mir nie erzählt, obwohl ich schon fast eine Woche lang mit ihm an dem Fall arbeite.«
»Ja und?«
Ich konnte kaum glauben, dass Justin ihn verteidigte. Ich musste es ihm sagen. »Und er hat ein Tattoo auf dem Arm.«
Justins Blick veränderte sich. Ich wusste, dass er in Gedanken alle Szenarien durchspielte, in denen ich Gabriels Tattoo gesehen haben konnte. Und keines davon gefiel ihm.
»Dort steht ›Victoria‹.«
»Also, äh, das könnte vielleicht etwas sein. Ich weiß nicht.«
Jemand klopfte leise an die Tür. Ich holte die Videokassette aus dem Recorder und versteckte sie hinter meinem Rücken. Justin schloss die Tür auf. Zum Glück war es nur sein Vater.
Mr Spellman zog die Tür hinter sich zu und wandte sich sofort an mich: »Perry wurde freigelassen.«
Ich atmete erleichtert auf, ließ mich auf den näch stbesten Stuhl fallen und hörte ihm zu.
»Sie haben keine Waffe. Kein Motiv. Sie haben nur die Tatsache, dass Perry und das Opfer zusammen waren, was Perry inzwischen auch zugibt. Sonst nichts. Der Diebstahl des Videos war dumm, aber nur dafür können sie ihn nicht einsperren.«
»Gott sei Dank«, sagte Justin.
»Er darf die Stadt nicht verlassen«, fuhr Mr Spellman fort. »Und sie geben nicht auf. Sie werden weiter nach belastenden Beweisen gegen ihn suchen.«
»Das ist in Ordnung.« Ich stand auf. »Sie werden nichts finden, weil er unschuldig ist.« Ich sah Mr Spel lman und Justin an. »Das habe ich euch beiden zu verdanken.«
»Danke lieber unserem Anwalt«, sagte Justin trocken .
Ich gab Mr Spellman das Video zurück und dankte ihm nochmals ausgiebig. Schließlich ging er hinaus, um das Band hinunter aufs Revier zu bringen.
»Was machen wir als Nächstes?«, fragte Justin.
»Jetzt werde ich herausfinden, was in jener Nacht im Yummy’s passiert ist.«
Und ich wusste auch schon, wen ich fragen konnte.
Auf dem Heimweg atmete ich die feuchte Luft tief ein. Die Sonne war beinahe untergegangen. Ich war hungrig und müde, aber meine Gedanken überschlugen sich. So viele Dinge geschahen gleichzeitig. Meine früheren Gefühle für Justin kamen zurück. Aber verknallt war ich vielleicht in einen Mörder oder in den Sohn eines Mörders. Perry war frei, aber nicht außer Gefahr. Ich konnte es kaum abwarten, ihn zu sehen, wusste aber nicht, ob ich ihn umarmen oder ohrfeigen sollte.
Doch zuerst musste ich noch eine wichtige Sache erledigen. Ich nahm mein Handy aus der Tasche, wählte einen Kontakt aus und drücke auf »anrufen«.
Es klingelte ein paar Mal, dann hob Stephen ab.
»Hallo, hier ist Clare Fern.«
»Hallo. Was ist los?«
»Ich wollte mich entschuldigen.«
»Wofür?«
»Dass wir nicht vorbeigekommen sind und uns mit eurem Anwalt getroffen haben. Jemand hat den Reifen von Moms Auto aufgeschlitzt. Kaum zu glauben, ich weiß. Aber ich wollte dir für dein nettes Angebot danken. Möchtest du morgen Abend mit mir Essen gehen?«
»Äh …« Das Angebot schien Stephen zu überraschen, aber ein Nein war es nicht.
»Ich dachte, nach unserem Gespräch ist wieder alles okay zwischen uns. Außerdem soll das kein Date sein. Wir treffen uns als Freunde.«
»Klar«, antwortete er. »Das klingt toll.« Er schien es ehrlich zu meinen und wirkte zugleich ein bisschen aufgeregt.
Ich schämte mich ein ganz kleines bisschen, ihn zu belügen und zu benutzen, aber ich brauchte dringend Antworten.
Zweiundzwanzig
Am nächsten Tag hatten wir keine Kundentermine. Das war im Juli sehr selten, aber heute kam einiges zusammen: Es war Montag, die intensivste Woche der Hochsaison um den 4. Juli war vorbei und diese Hier-lebt-ein-Mörder-Sache war auch nicht gerade gut fürs Geschäft.
Mom kompensierte all das mit Putzen. Sie war glücklich, Perry wieder bei sich zu haben, aber das Ganze war noch nicht durchgestanden. Für Mom schrie das regelrecht nach stundenlangem Hausputz.
Im Gegensatz dazu hatte ich bis zum Abendessen mit Stephen nichts zu tun, und so verbrachte ich den Tag mit Perry und dem erfolglosen Versuch, ihm Mut zu machen. Obwohl er mich als männliche Hure ganz schön genervt hatte, wollte ich den alten Perry zurück. Besser der als der depressive Perry. Lieber höre ich mir die Geschichten über seine neuesten Eroberungen an, als neben ihm
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