Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich sehe dein Geheimnis

Ich sehe dein Geheimnis

Titel: Ich sehe dein Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrington
Vom Netzwerk:
mittlerweile hatte er bestimmt von Joni erfahren. Wenn etwas nicht zu Romantik passt, dann der Tatort eines Mordes.
    Schnell lief ich zur Promenade. Irgendwie hatte Justin es geschafft, vor mir dort zu sein.
    Er saß auf einer Bank und wackelte mit dem linken Bein – wie immer, wenn er nervös war. Er trug khakifarbene Shorts und ein weißes Poloshirt, in dem seine sommerlich gebräunte Haut gut zur Geltung kam. Als er mich sah, stand er auf und lächelte erwartungsvoll.
    »Hallo.«
    »Möchtest du ein Stück gehen?«, fragte ich.
    »Wie du willst.« Nebeneinander spazierten wir langsam die Promenade hinunter. »Ich bin froh, dass du dich gemeldet hast. Wir müssen reden.«
    Das hatte ich nicht erwartet. »Was ist los?«
    »Es gab einen weiteren Mord.«
    »Ich weiß. Joni. Es ist furchtbar.«
    Die Vision von ihrem Tod wollte in meine Erinnerung dringen, doch ich schob sie schnell beiseite. Ich konnte jetzt nicht daran denken, durfte nicht zusammenbrechen, sondern musste stark sein.
    »Ich finde, das muss aufhören«, sagte Justin.
    Ich sah ihn verständnislos an. »Was meinst du?«
    »Ich will nicht, dass du weiter an den Ermittlungen teilnimmst. Anfangs hielt ich es für eine gute Idee. Ich dachte, du könntest uns schnell bei der Lösung des Falls helfen, wir brächten den Kerl hinter Gitter und die Sache wäre erledigt. Ich hätte keine Sekunde geglaubt, dass du in Gefahr sein könntest. Sonst hätte ich dich nie um Hilfe gebeten. Aber jetzt sind Billy und Joni tot. Dieser Typ ist total gestört. Ich will nicht, dass du weiter an dem Fall arbeitest. Ich will, dass du zu Hause bleibst, bis alles vorbei ist.«
    Genau deshalb hatte ich niemandem von der Vision im Wald erzählt, in der ich gesehen hatte, wie jemand uns beobachtete. Ich wusste, dass genau so etwas folgen würde. Egal wer es herausfand – ob Perry, Justin oder Mom –, sie würden alle verlangen, dass ich aufhörte. Aber ich konnte nicht. Bislang hatte ich an Perry gezweifelt, aber jetzt nicht mehr. Als ich ihn auf dem Revier gesehen und ihm in die Augen geschaut hatte, war es mir klar geworden. Ich hätte keinen Augenblick an ihm zweifeln dürfen. Er war mein Bruder. Ich kannte ihn. Er hatte noch nie in seinem Leben eine Pistole in Händen gehalten, er wüsste nicht einmal, was er damit machen sollte. Ja, er könnte seine Mädchen etwas besser behandeln, aber er war kein Mörder. Das hätte er einfach nicht gekonnt. Jetzt, da auch noch Joni tot war, zweifelte ich kein bisschen an der Unschuld meines Bruders. An die Stelle des Zweifels war wilde Entschlossenheit getreten.
    Ich musste ihn retten.
    »Ich verstehe, dass du dir Sorgen machst, Justin, aber das kann ich nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Vielleicht muss mein Bruder für den Rest seines Lebens ins Gefängnis. Ich weiß, dass er es nicht war. Die Polizei wird ihm nicht helfen, sie ist von seiner Schuld überzeugt. Perry hat nur noch mich. Ich werde ihn jetzt nicht im Stich lassen.«
    Justin schob die Hände in die Taschen und seufzte. »Das verstehe ich ja, aber wenn dir etwas zustößt …«
    »Das wird nicht passieren.«
    »Das kannst du nicht garantieren.«
    »Ich kann jetzt nicht aufhören. Perry braucht mich.«
    Justin nickte und gab nach. »Ich weiß, dass Perry es auf keinen Fall getan hat.«
    Ich blieb stehen und blickte in seine blauen, tiefen Augen. Er sah aus wie ein Märchenprinz. Einen kurzen Moment dachte ich an das böse Ende unseres Märchens, konzentrierte mich dann aber wieder auf die Gegenwart.
    Gabriel hielt Perry für schuldig. Justin hielt ihn für unschuldig. Justin hatte meiner Familie geholfen, hatte Mom und mich zum Revier gefahren und einen Anwalt besorgt. Er war immer für mich da.
    Ich legte meine Hand auf seine Wange.
    Und dann küsste ich ihn.
    Das hatte ich nicht geplant. Ich wollte meinen Ex nicht küssen, Video hin oder her, aber in dem Augenblick gab ich einfach meinen Gefühlen nach. Sein Kuss war zögerlich, zart. Wie unser erster Kuss am Strand vor so langer Zeit. Ich erinnerte mich an seinen Mund, seinen Geschmack, seine Art zu küssen.
    Gabriel zu küssen war wie ein exotischer Urlaub.
    Justin zu küssen war wie Nachhausekommen.
    Und das wollte ich.
    Bis er mich wegstieß.
    »Was willst du?«, fragte er und hielt mich am ausgestreckten Arm auf Distanz.
    Ich blinzelte verständnislos. »Wie bitte?«
    »Mit diesem Kuss ist ein Traum wahr geworden, aber ich weiß, dass er nicht real ist. Sag mir, was du willst. Du weißt, dass ich es tun werde.«
    Ich war

Weitere Kostenlose Bücher