Ich sehe dich
Gespräch. Sie hörte kurz zu und konzentrierte sich dann wieder auf ihre Notizen. Teilte die Seite in zwei Spalten auf. Über die eine schrieb sie Ja , über die andere Nein. Dann fügte sie die Namen Maren, Suphie, Marie, Anja in die Spalte Nein und Valeska, Petra, Ingrid in die Spalte Ja .
Sie ließ ihre Gedanken wieder zu Frauenwehr wandern. Was hatte Suphie eben gesagt? Ronnie versuche, sie zu kontrollieren? Tat er das wirklich? Behauptete nicht Ronnie immer, dass sie der Kontrollfreak sei? Sie rief sich die Szene vom frühen Abend in Erinnerung. Nuttig … So eine idiotische Aussage. Er war doch nur eifersüchtig, weil sie mal wieder ohne ihn unterwegs war. Aber warum dann die blöden Kommentare vor Jonas? Welche Beweggründe hatte er dafür?
Sie bemerkte, dass sie am Stift kaute und legte ihn neben ihr Notizbuch.
Oder wollte sie nicht wahrhaben, dass er sie zu kontrollieren versuchte? War es nicht einfacher, es nicht wahrhaben zu wollen? So wie es für eine Maren einfacher war, bei ihrem prügelnden Freund zu bleiben? Als ob man Marens Situation mit ihrer vergleichen könnte. Lächerlich. Sie schüttelte über sich selbst den Kopf. Und warum saß sie dann hier und wartete auf Michael, um ihm von ihrem Besuch bei Frauenwehr zu berichten, anstatt Ronnie davon zu erzählen? Was sagte das über ihre Ehe aus? Über ihre Beziehung zu Ronnie, der zu Hause saß und dachte, sie sei auf der Weihnachtsfeier ihrer Klettergruppe.
»Du warst wirklich in einer Frauenwehrsitzung?« Michael runzelte die Stirn. »Gleich heute? Ich hätte davor gern ein paar Sicherheitsmaßnahmen mit dir durchgesprochen. Vergiss nicht, jemand hat Paul getötet und läuft hier draußen herum. Und dieser Jemand kannte Christinas Fantasie.«
Sara schluckte. Hatte Pauls Mörder vorhin mit im Kreis gesessen? Es lief ihr kalt den Rücken hinunter. »Die Mitglieder kennen mich nur als Sara, die wissen nicht, dass ich Tinis Schwester bin. Die glauben alle, dass es Tini war.«
Bedächtig schwenkte Michael seinen Wein, so dass die Schlieren sich auf dem Glas abzeichneten, roch daran und stellte ihn wieder ab. »Hast du trotzdem irgendwas erfahren, was uns einen Hinweis auf eine Spur geben könnte?«
»Nicht wirklich. Aber ich habe eine Liste gemacht, wie ich die einzelnen Frauen einschätze.« Sie schob ihr offenes Notizbuch über den Tisch und deutete auf die Spalten. »Die Frauen in der Nein -Spalte halte ich nicht für fähig, jemanden zu töten. Den anderen würde ich es zutrauen.«
Michael las sich die Spalten durch und schaute sie fragend an. »Du traust Valeska Liebig einen Mord zu?«
»Ja … Nein … Jein. Das ist wirklich nur ein flüchtiger, erster Eindruck. Nenn es Bauchgefühl, wenn du magst. Aber wenn jemand von denen, die heute da waren, etwas damit zu tun hätte, dann eher die in der Spalte Ja .«
»Und das begründest du wie?«
»Rein subjektiv, irgendwo muss ich ja ansetzen. Petra ist völlig emotionslos, die erinnert mich an die böse Aufseherin im Waisenhaus, weißt du, die, die nie den Mundwinkel zu einem Lächeln verzieht. Und bei Ingrid kocht es meines Erachtens so heftig, dass bald etwas passieren muss. Die ist wie ein Vulkan, der jederzeit ausbrechen kann. Aber Ingrid steht für Affekt. Da knallt es irgendwann, und dann hat ihr Mann die Pfanne über dem Kopf oder die Axt im Kreuz. Also, das könnte ich mir eben vorstellen. Aber damit scheidet sie aus.« Sara nahm den Stift und strich Ingrid von der Liste. »Petra dagegen, die könnte etwas lange Geplantes durchführen. Eiskalt. Und Valeska … die manipuliert die anderen. Sie behauptet, sie will Selbstvertrauen vermitteln, und bringt Menschen dazu, Dinge zu tun, die sie von alleine nicht machen oder wollen würden.«
Sie zog einen Kreis um Valeska. »Und sie ist intelligent, und sie hat die Folterkammer erfunden. Wenn ich von den Leuten heute auf einen möglichen Täter tippen sollte, dann wäre Valeska Nummer eins und Petra Nummer zwei.«
Sara legte den Stift weg.
»Valeska hat gesagt, dass Tini Paul die Scheidungspapiere noch vor Weihnachten geben wollte. Wusstest du das?«
»Ich bin ihr Anwalt.«
Sara fasste sich mit der Hand an die Stirn. »Natürlich! Weißt du auch, dass Paul eine Lebensversicherung abgeschlossen hatte?«
»Zweihundertfünfzigtausend Euro bei Todesfall vor dem fünfundsechzigsten Lebensjahr, ansonsten eine ganz normale Kapitalausschüttung zum Ende der Laufzeit mit Fünfundsechzig. Die läuft schon seit Jahren.«
»Woher wusstest du das mit
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