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Ich sehe dich

Titel: Ich sehe dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Clark
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tauscht. Er wird mich geringschätzig ansehen, mich eintreten lassen und zurück ins Wohnzimmer gehen, um sich wieder aufs Sofa zu fläzen. Was hat er von mir schon zu befürchten?
    Ich werde ihm ins Wohnzimmer folgen und an das Sofa herantreten.
    »Heiner«, werde ich sagen, »weißt du noch, wie komisch das war, als ich wegen meiner Angstneurose monatelang krankgeschrieben war und meinen Job verloren habe? Du hast dich so amüsiert, dass du Tränen gelacht hast.«
    Aus den Augenwinkeln bemerkte Sara, wie Ronnie die Stirn runzelte. Las sie wieder zu schnell? Sie senkte das Papier und sah ihn an.
    »Was schaust du so?«
    »Das bislang einzig Gruselige ist dein Genuschel.«
    »Dann les ich halt nicht.« Sara beugte sich nach vorne, um die Papiere auf den Stapel zu legen.
    »Ach komm, du bist doch sonst nicht so empfindlich. Das war ein Witz, lies weiter.«
    Sie fuhr fort, etwas langsamer, und achtete darauf, dass sie keine Silbe verschluckte.
    Und dann werde ich die Schachtel öffnen und die schwarze Mamba herauslassen. Zu ihm, auf sein geliebtes Sofa. Die giftigste Schlange der Welt für den Mann mit der schlimmsten Schlangenphobie der Welt. Gelähmt vor Angst wird er sein, die Schlange anstarren, unfähig sich zu rühren.
    Ronnie stieß ein kurzes Lachen aus. »Eine Mamba? Das ist doch lächerlich!«
    »Warum denn?«
    »Erstens klingt das wie aus einem billigen James Bond.« Er hielt sich seine zur Pistole geformte Hand vors Gesicht und blies eine imaginäre Rauchfahne vom angedeuteten Pistolenlauf. »Und zweitens ist die schwarze Mamba nicht die giftigste Schlange der Welt.«
    »Aber sie ist die größte Giftschlange und die aggressivste. Und ihr Biss ist tödlich. Wenn ein Taipan dich erwischt, bist du auch nicht töter als bei einer Mamba. Tot ist tot.«
    »Töter?« Ronnie schüttelte den Kopf und steckte die Handpistole in sein imaginäres Halfter. »Egal, lies weiter.«
    »Eben. Tot kannst du nicht steigern, nicht mal grammatikalisch.«
    Ob Heiner Grossmann wirklich so getötet wurde? Durch den Biss einer Mamba? Sara spürte, wie sich bei dem Gedanken an den starren Blick und die blitzschnelle Angriffsbewegung einer Giftviper ihre Nackenhaare aufstellten. Sie hasste Schlangen.
    Gelähmt vor Angst wird er sein, die Schlange anstarren, unfähig, sich zu rühren
    Das könnte seine Rettung sein, denn je weniger er sich bewegt, desto besser sind seine Chancen zu überleben.
    »Ich habe schon lange keine Tränen mehr gelacht«, werde ich sagen, »da hab ich mir gedacht, wenn eine Angstneurose bei einem anderen so lustig ist, vielleicht sollte ich das mal bei dir ausprobieren, vielleicht bringt es mich ja wieder zum Lachen.«
    Und dann werde ich ihn allein lassen mit der Mamba, und er wird für das, was er mir angetan hat, büßen. Ich glaube nicht, dass ich lachen werde, aber ich werde mich besser fühlen.
    »Das ist ja widerlich«, sagte Ronnie angeekelt. »Wurde er tatsächlich so umgebracht?«
    »Weiß ich nicht, aber so was in der Art muss es gewesen sein. Das muss ich noch herausfinden.«
    »Die sind doch alle krank im Hirn. Besonders die Gruppenleiterin. Was ist das denn für eine? Eine geisteskranke, pathologische Männerhasserin? Wer sonst kommt auf die Idee, labile Frauen dazu anzustacheln, Foltergeschichten zu schreiben?«
    »Du tust ihr Unrecht. Sie hat mir das ganz logisch erklärt. Sie wollte dadurch eine Katharsis –«
    »Katharsis! Lass mich lachen! Du glaubst auch jeden Mist, wenn er in ein pompöses Fremdwort gehüllt wird. Es würde mich nicht wundern, wenn sie diejenige ist, die die Männer abschlachtet und den Frauen ihre Morde anhängt. Wahrscheinlich hatte sie selbst eine schlechte Erfahrung gemacht und rächt sich jetzt auf ihre perfide Art.«
    »Das ist Unsinn. Sie setzt sich für diese Frauen ein. Sie hilft ihnen. Sie würde ihnen nie schaden. Sie … sie bemuttert sie.«
    »Darf ich fragen, woher du deinen klaren Einblick in die Psyche dieser Frau nimmst?«, fragte Ronnie mit vor Sarkasmus triefender Stimme. »Wohlgemerkt, einer Frau, die du noch nie in deinem Leben getroffen hast?«
    Sara biss sich auf die Unterlippe. Wie würde Ronnie wohl reagieren, wenn sie ihm von dem Treffen vor zwei Tagen erzählte? Sie nahm den Papierstapel mit beiden Händen und klopfte die untere Kante auf den Tisch, bis jedes Blatt exakt auf dem anderen lag. Dann verstaute sie die Blätter in einer Dokumentenmappe und verschloss sie umständlich mit einem ausgeleierten Gummiband. »Ich … ich habe ihre

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