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Ich sehe dich

Titel: Ich sehe dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Clark
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blieb.

7
    Er stand ganz still. So still, dass seine Gestalt mit dem Busch verschmolz, in dem er sich versteckte. Konzentriert beobachtete er die Szene hinter dem Fenster, das ihm Woche für Woche das gleiche Schauspiel bot. Doch etwas stimmte heute nicht. Er brachte seinen Kopf näher an die Scheibe heran.
    Plötzlich wusste er, was nicht passte. Der Mann. Der Mann, der gerade in seine Richtung schaute. Hastig zog er seinen Kopf zurück, spürte, wie ein Dorn seine Wange zerkratzte. Dann wagte er erneut einen Blick in den hell erleuchteten Raum. Neben ihm, auf beiden Seiten, saßen Frauen, die er noch nie gesehen hatte. Und daneben saß SIE.
    Und wie sie da saß: Die Arme vor der Brust verschränkt, den Kopf in den Nacken gelegt, leicht zu einer Seite gebeugt. Respektlos. Furchtlos.
    Ahnungslos.
    Du fühlst dich so sicher unter deiner Perücke. Als ob mich das auch nur eine Sekunde täuschen könnte. Da hast du gesessen. Auf dem Stuhl, genau gegenüber vom Fenster. Ich habe dich sofort erkannt. Nach fünf Jahren.
    Ja, er hatte sie sofort erkannt, aber er hatte nur dagestanden. Hatte den Anblick in sich aufgesaugt wie ein Verdurstender Wasser.
    Wieder verspürte er den Impuls, hineinzurennen und sie aus dem Raum zu zerren, seine Beute in Sicherheit zu bringen. Seine Beine kribbelten. Seine Hände juckten. Sie waren bereit. Er war bereit.
    Nein! So lange hatte er gewartet, jetzt wollte er sie in die Enge treiben, zusehen, wie sie immer panischer wurde, während er die Schlinge um ihren Hals langsam zuzog.
    Du hast verloren. Ich sehe dich, egal wo du bist.
    Er lächelte. Er wusste genau, was er mit ihr vorhatte.

8
    »Und die Polizei glaubt wirklich, dass Tini Paul getötet hat?« Sara schüttelte ungläubig den Kopf. »Das ist doch völlig absurd!« Sie beobachtete das Mienenspiel ihrer Mutter. Wie alt und müde sie auf einmal aussah. Schnell wandte Sara den Blick ab, und versuchte die wenigen Informationen zu ordnen, die sie von ihrer Mutter erhalten hatte.
    Ihr Schwager war tot. Tini musste Paul kurz nach ihrem gemeinsamen Telefonat heute früh gefunden haben. Er hatte seltsam gekrümmt neben dem Bett in seinem Erbrochenen gelegen. Angeblich vergiftet. Von Tini, behauptete die Polizei. Mutmaßlich. Blödsinn. Es musste eine andere Erklärung für Pauls plötzlichen Tod geben. Sie zwang sich, ihre Mutter wieder anzusehen.
    »War Paul wirklich Alkoholiker? Hast du das gewusst?«
    »Nein. Ich dachte, sie wären glücklich.«
    »Ich auch.« Sara seufzte. »Wie klang Tini denn, als du mit ihr telefoniert hast?«
    »Ich fand sie erstaunlich gefasst«, sagte die Mutter nach einer kurzen Pause. »Vielleicht lag das auch an den Beruhigungstabletten, die sie bekommen hat. Sie stand völlig unter Schock, nachdem sie Paul gefunden hatte.«
    Die Stimme der Mutter brach. »Unsere arme Tinimaus«, flüsterte sie, »das muss so furchtbar gewesen sein.« Sie tupfte sich mit einem zerknüllten Taschentuch die Tränen aus den Augenwinkeln.
    Wieder entstand eine Pause. Sara sah der Mutter an, wie sehr die Ereignisse in ihr arbeiteten. Schließlich brach sie das Schweigen.
    »Ich überleg schon die ganze Zeit, ob sie etwas angedeutet hat, oder ob sie anders war in letzter Zeit …«
    »Und?« Ihre Mutter beugte sich vor, ein paar Zentimeter nur, doch Sara erkannte in dieser winzigen Bewegung ihre Hoffnung, endlich Aufschluss über die ungeheuerlichen Geschehnisse zu bekommen.
    »Ja nichts! Überhaupt nichts!« Sie bemerkte, wie sich der Oberkörper ihrer Mutter zurückzog und Enttäuschung sich auf ihrem Gesicht ausbreitete. »Ich wusste zwar, dass er viel Druck in der Bank hatte und oft gestresst war, aber das war auch alles.«
    »Über was habt ihr dann immer geredet?«
    »Über alles Mögliche halt.« Sara rief sich die letzten Treffen und Telefonate mit Tini in Erinnerung. In den letzten Tagen drehten sich die meisten Gespräche um den Artikel, den sie über Edina schreiben wollte. Und sonst?
    »Ja, über was denn, zum Beispiel?«
    Sara zuckte mit den Schultern. »Über ihre Arbeit, oder Ronnie …«
    »Ronnie?«
    Sara spürte den prüfenden Blick ihrer Mutter. »Dies und das, wenn ich mich halt geärgert hab oder so …«
    »Habt ihr denn auch Probleme?«
    »Mama!« Sara sah die Sorge in den Augen ihrer Mutter. »Nur weil ich über meinen Mann rede, muss doch nicht gleich der Haussegen schief hängen!«
    »Ihr redet also über Ronnie, aber nicht über Paul – obwohl er getrunken hat?«
    Sara schwieg. Wie hatte Tini ihr das

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