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Ich soll nicht töten

Ich soll nicht töten

Titel: Ich soll nicht töten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Lyga
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dirigierte sie zu einem kleinen Parkplatz an einer Betonwand, die noch die Spuren vom Brand des letzten Jahres aufwies. Ein anderer Beamter begrüßte sie am Eingang und zeigte Hanson, wo er warten konnte. Jazz wurde unverzüglich ins Büro des Direktors geführt.
    » Willst du das auch wirklich tun?«, fragte der Direktor. Seine große, kräftige Statur ließ Jazz aus irgendeinem Grund an ein Nashorn denken. Er wirkte, als würde er alle Muskeln ständig anspannen. Immer in Alarmbereitschaft.
    Und er betrachtete Jazz mit Misstrauen. Glaubte er, dass Jazz Billys Mitverschwörer bei den Verbrechen des Impressionisten war? Oder war Misstrauen einfach eine Frage des Überlebens für ihn, da er tagtäglich von einigen der gefährlichsten Männer im Staat umgeben war?
    » Ja«, sagte Jazz.
    Der Direktor schüttelte den Kopf. » Billy hat jeden Besuch in den vier Jahren, seit er hier ist, abgelehnt. Die letzte Person, die er getroffen hat, war einer seiner Anwälte. Ich hätte gedacht, dass er selbst dich nicht sehen will, aber er hat mich überrascht. Ich kann dich nicht davon abhalten, ihn zu besuchen, aber ich kann auf das Entschiedenste warnen.«
    » Billy wird mir nichts tun«, sagte Jazz zuversichtlicher, als ihm zumute war. Er wusste nicht, was Billy möglicherweise tun würde, wenn er ehrlich war. Abgesehen davon verfügte Billy über Wege, jemanden zu verletzen, die über das Körperliche hinausgingen. Er konnte ohne jede Berührung Schmerz zufügen.
    » Du musst vorsichtig sein mit dem Kerl«, sagte der Direktor. » Er ist ein Meister darin, Menschen zu manipulieren. Und einer der besten Lügner, die ich je erlebt habe. Ein echter Doktor in der Kunst, jemandem einen Bären aufzubinden, wenn du verstehst.«
    Wäre Jazz besserer Laune gewesen, hätte er die Komik sicher zu schätzen gewusst, die darin bestand, dass der Direktor ausgerechnet ihn vor der Gefährlichkeit Billy Dents warnte.
    » Wenn mir Billy Dent auch nur seinen Namen verraten würde«, fuhr der Direktor fort, » würde ich vorsichtshalber noch die Geburtsurkunde überprüfen.«
    Er sah Jazz so lange an, dass die meisten Leute eingeschüchtert gewesen wären. Aber Jazz war anders. Er starrte einfach zurück. Widerstrebend zollte er dem Direktor Respekt, weil der nicht nachgab. Dear Old Dad hatte ihm diesen Blick beigebracht, und nur sehr wenige Menschen konnten ihm länger standhalten, ohne zumindest verlegen zu werden.
    » Ich frage dich noch einmal: Bist du dir sicher, dass du das tun willst, Junge?«
    Jazz zuckte träge die Achseln. Der Gedanke, seinen Vater wiederzusehen, verursachte ihm eine Höllenangst, gleichzeitig fühlte er sich irgendwie lebendiger. Es war vermutlich das Gefühl, das Fallschirmspringer hatten, kurz bevor sie die Reißleine zogen. Aber er wollte es sich nicht anmerken lassen, am wenigsten von dem Gefängnisdirektor.
    » Na, schön«, schnaubte der Direktor. » Dann bringen wir’s hinter uns.«
    Kurz darauf saß Jazz mit dem Direktor und einigen Vollzugsbeamten in einem kleinen grauen Raum an einem Metalltisch, der am Betonboden festgeschraubt war. Auch die Stühle waren fixiert. Die Wände waren aus nicht gestrichenen Schlackenbetonsteinen. Jazz erinnerte sich, von einem Gefängnis gelesen zu haben, wo man die Wände mit Pastellfarben gestrichen hatte, in der Hoffnung, es würde die Insassen ruhiger machen.
    Stattdessen hatten die Gefangenen die Farbe von den Wänden geschabt. Und sie gegessen.
    Es gab zwei Türen aus mattem Metall in zwei nicht gegenüberliegenden Wänden. Jazz war durch die eine gekommen, und er wusste, was durch die andere kommen würde.
    Ein einzelnes, schmales, vergittertes Fenster hoch oben an der Wand hätte Sonnenlicht eingelassen, wenn der Himmel nicht inzwischen grau und bewölkt gewesen wäre. Stattdessen sorgte eine nackte Glühbirne, die von der hohen Decke baumelte, für Licht. Jazz überschlug es rasch. Wenn er sich auf den Tisch stellte, konnte er die Glühbirne wahrscheinlich erreichen. Könnte er sie zerbrechen und zu einer Waffe umfunktionieren, ehe ihn jemand daran hindern würde?
    Er dachte, er könnte es.
    Er war sich verdammt sicher, dass er es könnte.
    Jazz umklammerte den Tischrand, bis seine Knöchel weiß waren. Du brauchst keine Waffe, sagte er sich. Du brauchst keine …
    … auf, auf …
    … tu es!
    » Du musst nicht nervös sein, Junge«, sagte der Direktor, der Jazz’ weiße Knöchel für Bammel hielt, nicht für Selbstbeherrschung. » Meine Männer werden dafür sorgen,

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