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Ich soll nicht töten

Ich soll nicht töten

Titel: Ich soll nicht töten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Lyga
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Presse, weit über Schmarotzer und Nieten wie Doug Weathers hinaus. Reporter aller Art fanden den Weg nach Lobo’s Nod, interviewten Einheimische und versuchten, den Heiligen Gral des Blut-und-Sex-Journalismus an Land zu ziehen: ein Interview mit Billy Dents einzigem Kind. Jazz hätte inzwischen unermesslich reich sein können, wenn er nur die Angebote der Schmierenblätter und Boulevardsendungen im Fernsehen angenommen hätte oder jenes siebenstellige Angebot eines New Yorker Verlags für seine Memoiren.– » Wir lassen alles von einem Ghostwriter machen«, hatten sie versprochen. » Das Einzige, was du selbst schreiben musst, ist deine Unterschrift auf dem Scheck.«
    » Ich suche nach dir«, wiederholte der Mann und verhaspelte sich bei seinen Worten. » Bin heute erst in die Stadt gekommen. Hätte nicht gedacht, dass ich… so schnell…« Als wäre ihm gerade wieder eingefallen, was man machte, wenn man jemanden kennenlernte, streckte er eine Hand durchs Fenster. Jazz warf einen Blick zu Connie, die beobachtete, was sich hier vor ihren Augen abspielte. Er seufzte abermals und schüttelte die Hand des Mannes.
    » Mein Name ist Jeff Fulton. Hallo, Miss«, sagte er, als hätte er Connie eben erst entdeckt. » Es tut mir leid, es tut mir so leid. Ich wollte euch nicht aufhalten. Es ist nur… Harriet Klein ist meine… war meine Tochter.«
    Jazz versteifte sich und zog die Hand mit einem Ruck zurück. Harriet Klein. Billys dreiundachtzigstes Opfer in der offiziellen Chronologie– das vierundachtzigste in Jazz’ eigener Chronologie. Weiß. Siebenundzwanzig Jahre alt. Hübsch auf eine unauffällige Art– man würde sich auf der Straße nicht nach ihr umdrehen, aber wenn man allein mit ihr in einem Zimmer wäre, würde man es spüren.
    Ungebeten tauchten Bilder vor Jazz’ geistigem Auge auf: das Polizeifoto ihrer Leiche, nackt an die Wand einer Kirche in Pennsylvania genagelt– » Junge, Junge, das hat die ganze Nacht gedauert!«, hatte Billy, gerötet vor Triumph und Stolz gekräht–, der Kopf schlaff nach unten hängend, ihr ganzes Gewicht von den Gliedmaßen getragen. Als der Reverend, der die Leiche fand, die Polizei rief, begannen sich Haut und Muskeln bereits zu lösen; der Gerichtsmediziner traf gerade in dem Moment ein, als der linke Arm von der Wand fiel. Vier Beamte mussten auf ein Gerüst steigen und sie an Ort und Stelle halten, damit sie sie abnehmen konnten, bevor ihre restlichen Glieder rissen und ihr amputierter Rumpf zu Boden stürzte.
    Es war eine Höllenarbeit gewesen.
    » Ich… Ich kann Ihnen nicht helfen«, sagte Jazz. Und er konnte es wirklich nicht. Es war nicht das erste Mal, dass er von einem Angehörigen eines Opfers angesprochen wurde. In den Monaten nach Billy Dents Verhaftung waren neben den Reportern auch Angehörige scharenweise nach Lobo’s Nod gekommen: wegen eines Blicks auf den Mörder, auf der Suche nach Hinweisen, auf der Suche nach dem am wenigsten greifbaren Faktor von allen: einem Abschluss.
    In dieser Zeit hatte Jazz gelernt, Billys Lektionen darüber, wie man sich vor aller Augen versteckte, anzuwenden– sich auf eine bestimmte Art bewegen, auf eine bestimmte Art kleiden, und man wird einfach nicht bemerkt, vor allem nicht in Menschenmengen. Und Lobo’s Nod war plötzlich voller Menschen gewesen.
    Jazz gelang es größtenteils, Begegnungen wie diese hier zu vermeiden. E-Mails und Telefonanrufe waren eine andere Geschichte– egal, was für Vorsichtsmaßnahmen er traf, irgendwer spürte ihn immer auf, und dann begann die Belästigung von vorn. Manche flehten. Manche waren einfach nur mitleiderregend. Manche drohten unverhohlen, wie die Frau, die in ihren E-Mails genauestens darlegte, wie sie Jazz gern entführen wollte, um dann ein paar kräftige Schläger anzuheuern, » die mit dir genau dasselbe machen, was dein Vater mit meiner Tochter gemacht hat; mal sehen, wie es dir gefällt, wenn niemand kommt, um dich zu retten.« Jazz hatte sie der Polizei gemeldet.
    Der Zwischenfall jedoch, der in ihm widerhallte… Der schlimmste von allen…
    Jazz hatte eine Arznei für seine Großmutter in der Apotheke abgeholt, als sich ihm ein Junge, den er nicht kannte– einer von außerhalb–, näherte, und in seinen Augen hatte eine nicht zu identifizierende Gefühlsregung gelodert. Jazz hatte einen Schritt zurück gemacht, bereit, sich zu verteidigen, und hatte schon nach den Schwachstellen des Jungen Ausschau gehalten.
    Doch der Junge war nicht wütend gewesen. Oder

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