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Ich soll nicht töten

Ich soll nicht töten

Titel: Ich soll nicht töten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Lyga
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versteinerter Miene da und starrte ins Publikum, während Hale als zuckende, nervöse Masse von Schuld gepeinigt auf der Bühne umherstreift und schreit und fleht, bis er schließlich vor Danforths Füßen zusammenbricht.
    » Das war eine wirklich tolle Leistung heute, Jasper«, sagte Ginny, als sie für dieses Mal Schluss machten. » Ich habe es richtig gespürt. Gut gemacht. Alle andern!« Sie legte die gewölbten Hände an den Mund. » Hey! Ihr alle! Nächste Woche diese Szene ohne Textbuch. Lasst euch ein paar Tipps von Mr. Dent geben und prägt euch eure Zeilen ein, okay?«
    » Du warst wundervoll«, sagte Connie später und hakte sich bei Jazz ein, als sie zum Jeep gingen.
    Er zuckte mit den Achseln. So zu tun, als wäre er jemand, der er nicht war… das gehörte nicht zu den Dingen, bei denen er wundervoll sein wollte. Aber es machte Connie anscheinend glücklich, wenn er mit ihr zusammen in dem Stück mitspielte.
    » Ich begreife nicht, dass du die Tituba spielst«, sagte er. » Hätte dir Ginny keine andere Rolle geben können?«
    » Ich wollte die Tituba spielen. Es ist eine fantastische Rolle.«
    » Aber sie ist eine Sklavin.« Er machte Connie die Tür auf und half ihr in den Jeep. » Stört dich das nicht?«
    » Sollte es das?«
    » Na ja, du bist schwarz…«
    » Bin ich das?« Connie blickte auf ihre Hand und täuschte Entsetzen vor. » Verdammt! Du hast recht! Ich bin schwarz.«
    » Ha, ha.« Jazz schloss ihre Tür und stieg auf der Fahrerseite ein.
    » Afrika interessiert mich nicht«, sagte sie plötzlich.
    » Was?«
    » Afrika«, erklärte sie. » Es interessiert mich nicht.«
    Jazz sah sie an. Sie hatte diese Miene aufgesetzt, die ihm verriet, dass sie eingehend über das nachgedacht hatte, was sie sagte. Deshalb kam er zu dem Schluss, sie am besten einfach reden zu lassen.
    » Ich meine«, fuhr sie fort, » es ist nicht so, dass mir die Leute, die dort leiden, egal wären. Die Kriege. Der Völkermord. Der Hunger. Das alles ist mir nicht egal. Aber es interessiert mich nicht mehr, als wenn Menschen auf einem anderen Kontinent leiden. Und ich interessiere mich auch nicht für Sklaverei. Ich weiß, ich sollte es. Ich weiß, ich sollte wütend darüber sein, wie es mein Dad ist. Aber mich interessiert das Heute, Jazz. Das Heute und das Kommende. Ich interessiere mich nicht für die Vergangenheit. Verstehst du?«
    Er wusste nicht, worauf sie mit der ganzen Sache hinauswollte, und ihr Gesichtsausdruck sagte ihm, dass sie über den offenkundigen Gedanken hinaus auf etwas hinzuweisen versuchte.
    Sie wartete geduldig, während er darüber nachdachte. Lektionen im Menschsein. Sie erzählte ihm etwas über sich, aber wenn er es auf sich selbst anwandte…
    » Dann willst du also sagen, ich sollte meine Vergangenheit vergessen und aufhören, über meinen Vater und über Serienmörder nachzudenken, sondern einfach mit meinem Leben weitermachen?«
    Sie grinste und tätschelte seine Wange. » Na, siehst du? Und alle haben gesagt, du wärst nur ein hübscher Bengel. Aber du hast…«
    In diesem Augenblick tauchte ein Mann vor dem Jeep auf, als Jazz gerade den Schlüssel umdrehen wollte, und ließ ihn alles über Rasse und über Connie, über Hexenjagd und das Blut an Reverend Hales Kopf vergessen. Ohne seine Armesünderhaltung und das Alter in seinen Augen hätte ihn Jazz auf nicht älter als vierzig geschätzt. Aber die resignierte, kraftlose Körperhaltung ließ ihn eher wie sechzig aussehen. Es war ein Mann, den das Leben selbst zerschmettert hatte.
    Er stand genau vor dem Jeep, rührte sich nicht und starrte Jazz an, als traute er seinen Augen nicht.
    Jazz ließ den Motor an, um ihm auf die Sprünge zu helfen: Zieh Leine, Kumpel.
    Der Mann legte eine zitternde Hand auf die Kühlerhaube des Jeeps und ließ sie dort liegen, als er langsam um den Kotflügel herum zum Fahrerfenster ging und dort den Seitenspiegel packte.
    Jazz seufzte und gehorchte, als der Mann ihm ein Zeichen machte, das Fenster herunterzulassen.
    » Du bist Jasper Dent, richtig?«, fragte der Mann mit hohler, unsicherer Stimme. » Dich suche ich.«
    Von Angesicht zu Angesicht mit dem Kerl sah Jazz, dass seine schlammbraunen und blutunterlaufenen Augen eingesunken waren, als hätten sie zu viel gesehen und sich so weit wie möglich in den Schädel zurückgezogen. Schwere Säcke hingen unter ihnen– der Mann hatte mindestens eine Woche Schlaf nachzuholen.
    Er war kein Reporter, dessen war sich Jazz sicher. Er hatte viel Erfahrung mit der

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