Ich soll nicht töten
für ihren Geschichtskurs. Sie trug heute Jeans und ein rosa T-Shirt, das sich über ihre Brust spannte und die Aufschrift ENTHÄLT 0 % PLASTIK trug. Er drückte ihr rasch einen Kuss auf die Lippen.
» Dent!«, bellte Mr. Gomez. » Anständig benehmen!«
Jazz schlang die Arme um Connies Schulter. » Ach, kommen Sie, Mr. Gomez!«, sagte er mit dem genau richtigen Maß an Großspurigkeit in der Stimme. » Könnten Sie widerstehen?«
Jazz konnte Menschen lesen, und er hatte stark den Verdacht, dass Albert Gomez einige nicht ganz jugendfreie Fantasien über die Mädchen in seiner Klasse hegte. Deshalb beschuldigte er ihn nicht direkt, sondern bohrte nur zielgenau an der empfindlichen Stelle.
Mr. Gomez räusperte sich nervös– Musik in Jazz’ Ohren– und wischte sich einen nicht vorhandenen Schweißtropfen von der Oberlippe. » Pass einfach auf, ja?«, sagte er und hatte plötzlich andere Dinge zu tun.
» Das war gemein«, sagte Connie, als sie sich an die Wand lehnten, um zu reden. » Er ist kein übler Typ.«
Ja, sicher. » Ich war nur ehrlich. Wie könnte jemand widerstehen?« Er machte Anstalten, mit der Hand durch ihre Rastalocken zu fahren, doch dann zog er sie zurück, weil er an die eine Gelegenheit dachte, wo er es versucht hatte– Connie hatte ihm eine Standpauke über das elfte Gebot gehalten: Du sollst das Haar deiner schwarzen Freundin nicht berühren. Niemals. Er küsste sie stattdessen rasch und so, dass es keine zufällig vorbeikommende Lehrer-Drohne sah.
Hm. Drohne. Nicht gut. Menschen zählen.
Vor allem Connie. Connie mit ihren weichen Lippen, ihrem verschlagenen Grinsen, ihren dunklen Augen, die bis in seine Seele blicken konnten, aber ihn innerlich immer ein wenig zusammenfahren ließen, wenn sie in seine Richtung sah. Ihr Haar– tabu, was Berührung anging, aber nicht für die anderen Sinne– entzückte ihn, es war tintenschwarz, schulterlang, straff eingedreht wie starke Sprungfedern, es roch leicht nach Chemikalien und Zimt, und die Perlen am Ende jeden Zopfs klickerten, wenn sie ging. Es war, als wäre in diesen Zöpfen eine grenzenlose Energie gebunden, und er konnte sich nicht vorstellen, was passieren würde, wenn man sie freisetzte. Ihre Haut fühlte sich weich an und hatte die Farbe von…
Nun, wen interessierte die Farbe. Es war die Farbe von Connie. Wunderschön.
Was ihn anging, so wusste Jazz, dass er gut aussah. Es hatte nichts mit dem Blick in den Spiegel zu tun, was er ohnehin selten tat. Er wusste es wegen der Art, wie die Mädchen in der Schule ihn ansahen, wie sie zu seinen Satelliten wurden, wenn er vorbeiging und ihre Kreisbahnen von seiner geheimnisvollen Schwerkraft verzerrt wurden. Wenn Aufmerksamkeit messbar wäre wie der Dopplereffekt, würden Mädchen in seiner Gegenwart eine deutliche Blauverschiebung zeigen. Etwa seit einem Jahr fielen ihm sogar die prüfenden Blicke älterer Frauen auf– Lehrerinnen, Kassiererinnen, die Frauen, die UPS -Päckchen zu ihm nach Hause lieferten. Die einstmals mütterliche Note in ihrem Blick war einer Art kühler Abschätzung gewichen. Er konnte sie beinahe denken hören: Noch nicht. Aber bald.
Trotz der Art seines Aufwachsens, trotz des berüchtigten Rufs seines Vaters beachteten sie ihn. Oder vielleicht gerade deshalb. Vielleicht hatte Howie recht, was böse Jungs anging.
All das bedeutete ihm nur insofern etwas, als er es ziemlich leicht hatte, seinen Willen durchzusetzen. Die meisten Jungs fühlten sich von ihm eingeschüchtert und die meisten Mädchen zu ihm hingezogen. Solange er das ausnutzen konnte, hatte er es nicht schwer.
Kandidaten sind für dich und für mich da, Jasper. Sie existieren nur aus diesem Grund, verstehst du?
» Howie hat mir erzählt, was ihr beide letzte Nacht getrieben habt«, sagte Connie und brachte Billys Stimme in seinem Kopf zum Verstummen. » Gefällt mir gar nicht.«
» Ich weiß, ich hätte den Knaben umbringen sollen, als ich die Gelegenheit hatte«, sagte Jazz leichthin und bedauerte es augenblicklich, als er ihren Gesichtsausdruck sah. » Nicht komisch?«, fragte er.
» Nicht, wenn du es sagst. Solche Witze liegen dir nicht.« Sie dachte einen Moment nach, ihre warmen dunklen Augen forschten in seinem Gesicht nach… was? Er wusste es nicht. » Du solltest wahrscheinlich keine solchen Witze machen.«
» Okay.« Connie erteilte ihm immer gute Lektionen in Menschlichkeit. » Aber es musste sein. Wir mussten da rein.«
Connie klopfte Jazz’ Brustpartie ab und runzelte die Stirn. »
Weitere Kostenlose Bücher