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Ich soll nicht töten

Ich soll nicht töten

Titel: Ich soll nicht töten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Lyga
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angriffsbereit. Stattdessen hatte er angefangen zu weinen und gefleht: » Warum hast du ihn nicht aufgehalten?« Immer wieder, bis er in Tränen aufgelöst zusammengebrochen war und seine Familie herbeistürzte, ihm auf die Beine half und ihn wegführte.
    Was sollte ich tun, hätte Jazz den Jungen gern gefragt, hätte er die ganze Welt gern gefragt. Hätte ich ihn im Schlaf töten sollen? Das wäre die einzige Möglichkeit gewesen, ihn aufzuhalten. Meinen eigenen Vater töten?
    Aber vielleicht war es genau das, was die Welt sich gewünscht hätte.
    Es quälte Jazz, dass er nie etwas unternommen hatte, um Billy aufzuhalten. Aber was ihn an jenem Tag noch mehr beunruhigt hatte, war seine Reaktion auf den Jungen gewesen– wie er sofort eine Verteidigungshaltung eingenommen und nach Möglichkeiten gesucht hatte, dem Jungen wehzutun. Und die ganze Zeit war der Junge nicht wütend oder auf Rache aus gewesen. Er war verletzt und traurig gewesen.
    Und Jazz hatte den Unterschied nicht bemerkt.
    » Ich glaube, du kannst helfen«, sagte Fulton jetzt. » Ich will nur mit dir reden.«
    » Nein. Nein, tut mir leid. Ich kann nicht.«
    » Bitte.« Fulton hielt sich an dem Jeep fest, dass sich seine Knöchel weiß färbten. » Nur fünf Minuten deiner Zeit.« Er würgte an seinen eigenen Gefühlen. Tränen stiegen ihm in die Augen. » Ich will nur… Ich will nur verstehen…«
    » Bitte lassen Sie ihn in Ruhe«, sagte Connie vom Beifahrersitz. Ihre Stimme war leise, klang jedoch bestimmt. » Er hat Ihre Tochter nicht getötet.«
    Harriet Klein. Rötliches Haar. Grüne Augen, der Akte zufolge, aber sie waren nicht mehr da gewesen, als die Polizei die Leiche fand. Ich hatte Angst, sie könnten herausfallen, da sie doch die ganz Nacht verkehrt herum an der Decke hängen würde. Deshalb habe ich sie herausgenommen.
    Harriet hatte Abendkurse belegt, um einen Abschluss in Jura zu schaffen. Ihr Studentenausweis war in Billys Trophäensammlung im Hobbyraum gelandet.
    » Ich will nur verstehen«, sagte Fulton und weinte jetzt rückhaltlos. » Ihre Mutter– meine Exfrau– hat einfach alles ausgeblendet. Noch einmal geheiratet, zwei neue Kinder, als könnte man einfach das eine durch das andere ersetzen, als wäre es so einfach.« Er wischte sich mit dem Handrücken über die Augen, während er sich mit der anderen Hand weiter an den Jeep klammerte. » Aber ich muss wissen, warum… Warum mein kleines Mädchen? Warum hat er…«
    » Er kann es Ihnen nicht sagen«, sagte Connie, jetzt mit einiger Schärfe. » Fahr einfach, Jazz. Fahr los.«
    Jazz schüttelte sich, als würde er aus einem Albtraum erwachen. Er war in Gedanken bei Harriet Klein gewesen, dachte an die Fotos, die Geschichte, die Billy erzählt hatte, den Studentenausweis, den er im Lauf der Jahre so oft berührt hatte.
    Er trat zur Drohung das Gaspedal durch. » Wir müssen los«, sagte er zu Fulton, und dann spulte er den Text ab, den er in den letzten vier Jahren so oft geübt hatte: » Ich bedauere Ihren Verlust und alles, was mein Vater getan hat.« Er legte den Gang ein.
    Fulton machte ein langes Gesicht. Er wusste, weiter würde er nicht kommen, und es ließ ihn nur noch mehr verzweifeln. » Ich bleibe in der Stadt. Nur für ein paar Tage«, sagte er, dann fummelte er in seiner Tasche nach einer Visitenkarte und drückte sie Jazz in die Hand. » Wenn du es dir anders überlegst, da steht meine Telefonnummer drauf. Bitte. Du kannst jederzeit anrufen, egal wann. Jederzeit.«
    Jazz weigerte sich, ihn noch einmal anzusehen; er blickte stur geradeaus und gab Gas. Fulton ließ den Jeep los.
    » Das war scheußlich«, sagte Connie.
    Jazz schaute in den Rückspiegel, als sie vom Schulparkplatz fuhren. Jeff Fulton stand noch an derselben Stelle und sah ihnen nach. Dann, als sie auf die Hauptstraße bogen, schlurfte er unendlich langsam weiter, bis er aus Jazz’ Rückspiegel verschwand.
    Jazz setzte Connie bei ihr zu Hause ab. » Willst du hereinkommen?«, fragte sie. Er sah, dass ihr Vater bereits zu Hause war, sein großer SUV stand wie eine Sperre in der Einfahrt.
    » Nein, lass mal.« Connies Vater hasste Jazz. Die Rassenfrage, die für Connie und Jazz keine Rolle spielte, war für ihn von großer Bedeutung. Jazz konnte die Argumente herunterleiern, auch wenn er sie nie verstehen konnte. Es gibt eine Geschichte von weißen Männern in diesem Land, die mit schwarzen Frauen taten, was sie wollten, hatte Connies Dad einmal zu ihm gesagt und dabei nur mühsam seine Wut

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