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Ich soll nicht töten

Ich soll nicht töten

Titel: Ich soll nicht töten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Lyga
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Bilderrahmen an den Wänden wackelten. G. William schien es nicht zu bemerken.
    » Setz dich«, sagte er zu Jazz, als er sein Telefongespräch beendet hatte.
    » Nein.« Jazz verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. » Was geht hier vor? Sie können mich nicht einfach aus der Schule entführen und…«
    » Was zum Teufel treibst du da, Jazz?«, zischte G. William. » Was für ein perverses Spiel ist das, das du hier spielst?«
    » Spiel? Ich spiele keinerlei…«
    G. William zog sein Smartphone hervor und fummelte kurz daran herum. Dann hörte Jazz seine eigene Stimme. » Hallo, G. William. Hier ist Jazz. Ich weiß jetzt Bescheid. Es wird weitere Opfer geben. Über das nächste kann ich Ihnen Folgendes sagen: Sie wird etwa fünfundzwanzig Jahre alt sein. Braunes Haar. Sie wird Kellnerin sein. Sie wird durch eine Injektion von Abflussreiniger getötet werden. Die Leiche wird in eine kniende Position gebracht werden, die Hände wie zum Gebet zusammengebunden. Ihr werden vier Finger fehlen, aber der Mittelfinger wird am Fundort liegen. Ihre Initialen werden H. M. sein. Das ist alles.«
    G. William steckte das Smartphone wieder ein und sah Jazz zornig an. Jazz wusste nicht, was er davon halten sollte. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sich der Sheriff wegen einer blöden Nachricht auf der Mailbox so aufregen würde.
    » Tut mir leid, G. William. Ich dachte nicht, dass…«
    Der Sheriff deutete zu einem Stuhl. Diesmal setzte sich Jazz.
    G. William warf ihm einen Ordner zu. » Erklär mir das«, sagte er und machte ein Gesicht, als hätte er in einen wurmigen Apfel gebissen.
    Jazz’ Hände zitterten, und er konnte den Ordner in seinem Schoß kaum umdrehen. Die Akte war beschriftet mit MYERSON , HELEN .
    Seine Kehle schnürte sich zu.
    » Helen Myerson«, sagte G. William und ersparte Jazz die Mühe, die Akte zu öffnen. » Alter fünfundzwanzig. Arbeitete als Kellnerin im Coff-E-Shop. Du bist wahrscheinlich schon von ihr bedient worden, Jazz. Du und deine Freunde. Braune Haare. Wir haben sie heute Morgen in der alten verlassenen Scheune drüben auf der Westseite gefunden. Du kennst die Scheune?« Er wartete keine Antwort ab. » Natürlich kennst du sie. Todesursache, tja, da warten wir noch auf den Laborbefund, aber nach einem Herzinfarkt sieht es mir jedenfalls nicht aus. Und auf einem Tisch nicht weit von der Leiche lag eine Nadel neben einer Flasche Abflussreiniger, für den Fall, dass wir es beim ersten Versuch nicht kapieren. Die Leiche war– rate mal– in eine Position gebracht, als würde sie beten. So, Jazz«, G. William setzte sich auf die Kante seines Schreibtischs und beugte sich tief zu Jazz herunter, » gibt es etwas, das du mir sagen möchtest?«
    O mein Gott. Ich hatte recht. Jazz war so schockiert, dass er nichts herausbrachte, und dann fragte er sich, ob G. William sein Schweigen womöglich als Schuldeingeständnis auffasste. » Ich war es nicht«, platzte er heraus. » Ich habe das nicht getan.«
    G. Williams Miene wechselte von Zorn zu durchtriebener Neugier. » Warum sagst du das? Ich habe dich nicht beschuldigt, etwas damit zu tun zu haben.«
    Bevor er gefasst wurde, hatte die Polizei Billy mehrmals in Zusammenhang mit seinen Verbrechen befragt, immer als Zeugen oder unbeteiligten Passanten. Billy hatte diese Gelegenheiten genossen, bei denen er den Mechanismus der Ermittlungen gegen ihn beobachten konnte, und er hatte stets kooperiert, solange es nichts mit der Wahrheit zu tun hatte. Eine Sache hatte er Jazz eingebläut: Erzähl der Polizei nur das, wonach sie fragen. Niemals mehr, nie!
    Jazz hatte diese Regel gebrochen.
    » Ich war es nicht«, wiederholte er. Wie sollte er aus dieser Sache wieder herauskommen? Er besaß das, was man Täterwissen nannte, und er musste erklären, woher er diese Dinge wusste, sonst würde die Polizei ihn für den Mörder halten. Und Jazz konnte es ihnen nicht verübeln. Wie groß war der Gedankensprung zu der Vermutung, dass der Sohn des berüchtigsten Serienmörders der Welt eines Tages durchdrehen würde?
    » Wenn du etwas zu sagen hast, ist jetzt der richtige Zeitpunkt dafür«, sagte G. William und verlagerte sein Gewicht auf dem Schreibtisch. » Wir beide sind hier unter uns. Wir können die Geschichte zusammen klären, oder ich kläre sie auf meine Weise.«
    G. William war nicht länger die zittrige, überforderte, armselige Gestalt von der Nacht zuvor. Er war selbstbewusst. Sicher. Er war der Mann, der die letzten zwei Morde Billy Dents aufgeklärt und

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