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Ich soll nicht töten

Ich soll nicht töten

Titel: Ich soll nicht töten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Lyga
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ihr diese Genugtuung.
    Bis sie sagte: » Ich schließe meinen Bericht ab, Jasper, und gebe ihn gleich Montag früh zu den Akten. Ich wollte dich vorwarnen. Vor allem angesichts dessen, was hier gerade passiert ist. Diese Umgebung… Ich schlage vor, dass du in eine Pflegefamilie kommst und dass deine Großmutter in einer betreuten Wohneinrichtung untergebracht wird. Wenn du meinem Bericht eine eigene Stellungnahme anfügen möchtest, so kannst du das gern tun, aber ich brauche sie bis Sonntagabend. Du hast meine E-Mail-Adresse, ja?«
    Sie hatte alles schnell heruntergerattert, als befürchtete sie, er könnte sie unterbrechen. Aber es war kein Kampfgeist mehr in ihm, zumindest nicht für den Augenblick.
    Menschen zählen. Menschen sind echt. Menschen zählen. Es gelang ihm nicht, sich zu überzeugen.
    » Tun Sie, was Sie tun müssen«, sagte er. Er sah sie nicht einmal an, sondern starrte nur in die Kaffeetasse vor sich. » Egal.«
    » Es ist wirklich am besten für…«
    » Wenn Sie fertig sind, können Sie aus meinem Haus verschwinden.«
    Es wurde so still in der Küche, dass er sich einbildete, Melissas Herzschlag zu hören. Dann machte sie auf dem Absatz kehrt, griff sich ihre Aktentasche und marschierte hinaus. Einen Augenblick später ging die Haustür auf und wieder zu.
    » Ich weiß, du bist aus dem Häuschen…«
    » Lassen Sie es gut sein, G. William.«
    » Ich weiß, du bist aus dem Häuschen«, versuchte es der Sheriff noch einmal, » aber das war unnötig. Du solltest anrufen und dich entschuldigen.«
    » Entschuldigen?« Jazz sprang auf und stieß den Stuhl über das Linoleum. » Entschuldigen? Sie wird mich in eine Pflegefamilie stecken, und meine Großmutter endet in einem Heim, wo man sie dreiundzwanzig Stunden am Tag am Bett festbindet! Und ich soll mich bei ihr entschuldigen?«
    G. William zuckte mit den Achseln. » Tut mir leid, Jazz. Ich weiß, es ist nicht ideal, und es ist nicht das, was du willst, aber sie hat wahrscheinlich recht.«
    Darauf hatte Jazz nichts zu sagen.
    Als das Haus wieder leer war, rief Jazz Connie an, um ihr zu erzählen, was passiert war, und ihr Bescheid zu geben, dass er heute nicht in die Schule käme. Sie verabredeten sich für den Nachmittag, um Howie im Krankenhaus zu besuchen. Connie sagte, er solle sich keine Sorgen wegen der Pflegefamilie machen.
    » Vielleicht ist es gar nicht schlecht, wenn du aus diesem Haus kommst. Wenn du dich zur Abwechslung um dich selbst kümmerst und nicht um deine Großmutter. Und vielleicht wird es keine Pflegefamilie. Vielleicht kommst du zu deiner Tante…«
    » Ja toll, und Billys Schwester wohnt ungefähr fünfhundert Kilometer entfernt. Was ist damit, Connie? Was wird aus uns?«
    Dazu fiel ihr nichts ein. Er empfand ein vages Schuldgefühl, weil er sie auf diese Weise zum Verstummen brachte, aber nur ein vages. Er hatte es satt, dass ihm alle Leute erzählten, was gut für ihn war.
    Er hatte vorgehabt, an seinem freien Tag auszuruhen, doch den Tag mit Gramma zu verbringen war, als würde man auf ein Kleinkind aufpassen, das es für den Gipfel des Vergnügens hält, keine einzige Minute Ruhe zu geben. Nach Abzug der Polizei war sie zwanzig Minuten lang völlig aufgelöst, weil sie glaubte, sie hätte sie irgendwie gekränkt– immer noch in der Annahme, sie alle befänden sich auf einem Tanzvergnügen in den Fünfzigern–, und weinte sich die Augen aus wie ein junges Mädchen. Dann stand sie in der Küche und schimpfte zu dem verlassenen, einsamen Vogelbad hinaus, weil es keine Vögel anzog. » Du armselige Attrappe von Vogelbad!«, schrie sie. » Ich habe Vogelbäder mit Dutzenden, Hunderten von Vögeln gesehen. Mit Tausenden! Du solltest dich nicht einmal Vogelbad nennen! Du bist ein Vogel-Abschreckungsbad. Was hast du gegen Vögel?«
    Sie nahm die Flinte, ging nach draußen und bedrohte das Vogelbad damit, fuchtelte mit der schweren Waffe herum, bis sie erschöpft war. Dann kam sie wieder herein und stolperte ins Wohnzimmer.
    » Guter Junge, Billy«, sagte sie und tätschelte Jazz’ Wange. » Guter Junge.« Sie drückte ihm einen trockenen, langen Kuss auf die Stirn. » Guter Junge, weil du dich um deine Mama kümmerst.«
    Jazz schauderte.
    Oben versuchte er, ein Nickerchen zu machen, während Gramma eine Gameshow sah. Er döste eine Weile weg und wurde von dem Messer, den Stimmen, dem Fleisch verfolgt. Genau wie Hähnchen schneiden, flüsterte Billy aus der Vergangenheit oder aus seiner Einbildung. Genau wie …
    Und Jazz

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