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Ich soll nicht töten

Ich soll nicht töten

Titel: Ich soll nicht töten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Lyga
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gelassen, als er sich vorstellen wollte.
    Er machte sich Sorgen, dass sie etwas angestellt haben könnte. Sich verletzt. Jemand anderen verletzt. Etwas getan hatte, das es Melissa erleichtern würde, ihn in einer Pflegefamilie unterzubringen. Selbst wenn die Wirkung des Benadryls noch anhielt, konnte sie vom Sofa gerollt sein und sich etwas gebrochen haben.
    Im Haus war es dunkel und still, als er die Eingangstür aufschloss. Er ließ für gewöhnlich ein Licht brennen, damit Gramma im Dunkeln nicht stolperte, aber das hatte er vergessen, als er das Haus vor ewigen Zeiten mit Connie und Howie verlassen hatte. Er blieb kurz in der Diele stehen und lauschte dem Klicken des Schlosses, als er die Tür zumachte. Etwas Kaltes hing in der Luft, etwas, das ihn nervös machte.
    Er hatte das Gefühl, dass er beobachtet wurde.
    Dass jemand im Haus war.
    Natürlich ist jemand im Haus. Gramma ist im …
    Er führte den Gedanken nicht einmal zu Ende. Absurd. Der Versuch, Angst wegzurationalisieren.
    Angst ist in Ordnung, hatte Billy einmal zu ihm gesagt. Es hatte Jazz überrascht, der immer nur gehört hatte, wie sich sein Vater über Angst lustig machte, als etwas, das Opfer in dem verzweifelten, sinnlosen Versuch an den Tag legten, am Leben zu bleiben. Angst war etwas, über das man in seinen vielen herrlichen Formen, die den jeweiligen Opfern zu eigen waren, lachen konnte. Angst kann dir das Leben retten. Der Trick besteht darin, sich nicht von ihr überwältigen zu lassen. Sich nicht von ihr beherrschen zu lassen. Wenn du Angst hast, versucht das Universum, dir etwas mitzuteilen. Dann flieh. Renne nicht, gerate nicht in Panik. Such einfach deine Sachen zusammen und geh ganz ruhig davon. Panik macht dich kopflos.
    Sollte er G. William anrufen? Immerhin hatte er Howies Handy einstecken, ein fremdartiger, aber beruhigender Riegel in seiner Tasche.
    Nein. Nein, das war lächerlich. Niemand war im Haus.
    Er schlich ins Wohnzimmer. Gramma schlief auf dem Sofa und schnarchte leise. Er schlich näher und sah, dass sie mit einer Decke zugedeckt war.
    Sie war nicht zugedeckt gewesen, als er gegangen war.
    Er drehte sich langsam um und spähte in alle Winkel des Zimmers. Nichts.
    Sie konnte sich durchaus selbst zugedeckt haben. Die Decke stammte von einem Sessel, der ein Stück entfernt stand. Sie hätte einfach aufstehen können, weil sie fror, sich ganz benommen die Decke schnappen und wieder einschlafen können.
    Niemand ist im Haus. Es sind nur deine Nerven. Nach allem, was du heute Nacht durchgemacht hast, steht dir das zu.
    Er grinste. Er, der Sohn des berüchtigsten Serienmörders der Welt, fürchtete sich im Dunkeln. Was kam wohl als Nächstes? Der schwarze Mann? Das Schrankungeheuer? Gremlins unter dem Bett?
    Wie ein Einbrecher streifte er lautlos durchs Haus, ließ die Lichter aus und orientierte sich nur durch Berührung und Erinnerung. Falls jemand hier war, wollte er nicht zu erkennen geben, dass er es wusste. Er wollte den Eindringling fangen. Er überprüfte alle Räume im Erdgeschoss, einschließlich der kleinen Speisekammer– man konnte ja nie wissen. In einem Anfall von Paranoia, der unter anderen Umständen komisch gewesen wäre, sah er sogar unter der Spüle nach und stellte sich den Killer wie einen Einsiedlerkrebs dort hineingezwängt vor, bereit zuzuschlagen. Alles, was unter der Spüle lauerte, waren jedoch ein Haufen Schwämme, eine Rolle Küchentücher, diverse Reinigungsmittel und eine leere Zigarrenkiste, die laut Gramma unbedingt dort hingehörte.
    Er streifte durch das Obergeschoss, sah unter die Betten und durchwühlte die Schränke, dann ging er in den Keller, stocherte hinter dem Heizkessel und dem Warmwasserboiler herum– Spinnweben, Staub, verdorrte Spinnengehäuse und ein Haufen versteinerter Mäusedreck, der ihn in Gedanken Mäusefallen kaufen auf die Liste der zu erledigenden Dinge setzen ließ. Er kroch sogar in einen Hohlraum unter der Treppe, der früher ein Archiv von Billys Kindheit und frühen Erwachsenenjahren beherbergt hatte: Notizbücher, Jahrbücher, Schachteln mit Zeitungsausschnitten, eine einzelne Schwimmtrophäe– Warum nicht?, hatte Billy achselzuckend gesagt– und mehr. Das alles war beim Prozess konfisziert worden. Jazz könnte es zurückbekommen, wenn er ein paar Papiere unterschriebe, aber er wollte es nicht. Und im Gegensatz zum Jeep brauchte er es nicht.
    Als er aus dem Hohlraum kroch, erlaubte er sich einen leisen Spott auf eigene Kosten. So, kannst du jetzt zu Bett gehen,

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