Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)
dann färb ich mir die Haare und du guckst zu. Schreib alles auf und beim nächsten Mal kannst du’s selbst.« So lernte ich, die Farbe im Töpfchen zu mischen, mein Haar in Strähnen zu teilen und Peroxid mit einem Schwamm aufzutragen.
Mein großes Manko war das Autofahren, das konnte ich ja auch nicht. Und was taten meine Bluebells? Sie holten mich jeden Abend ab, fuhren mich drei Jahre lang hin und her. Pünktlich um halb sieben stand eine mit ihrem Wagen vor der Tür und eine andere brachte mich nachts zurück. Das zogen sie durch bis zum bitteren Ende. Nie sagte eine, ich hab jetzt keine Lust. Wenn einem Mädchen etwas dazwischenkam, organisierte sie Ersatz. Noch heute könnte ich heulen, wenn ich nur daran denke.
Auch lernte ich endlich, was es heißt, mit Freunden eng zusammenzuleben. Ein halbes Jahr lang war ich hier und da untergekrochen und nun zog ich mit meiner entzückenden Kollegin Margret in eine gemeinsame Wohnung. 273 Lana Avenue lautete unsere Adresse, sie lag nicht weit vom großen Boulevard entfernt. Margret war der erste Mensch nach meiner Familie, dem ich so nah kam, und ich musste mich erst darauf einstellen, auf unser rooming together, doch viel Privatsphäre brauchten wir nicht. Wir wollten gar nicht mehr ohne einander sein, so gut verstanden wir uns. Margret war Engländerin und sie pflegte einen großen Hang zum Kitsch. Sie liebte Plastikblumen und alles Künstliche und bald freundete ich mich auch damit an. Wir kauften das Zeug in großen Warenhäusern und machten es uns richtig homy . Ich klebte bunte Teppiche an meine Wände und hielt mir sogar einen Papagei. Mein Ehrgeiz lag nun darin, ihm das Sprechen beizubringen, »Hello Baby« sollte er sagen. Auch vom Handarbeiten waren wir wie besessen. Alle Bluebells taten das, sie waren überhaupt sehr häuslich. In den anderthalb Stunden Pause zwischen unseren Vorstellungen saßen wir zusammen und strickten.
Die vierte in unserer Wohnung war Margrets Hund Kiki. Ein Chihuahua, der so bösartig war, dass er nach allem schnappte, was ihm vor die Schnauze kam. So hatte er auch im Theater bald seinen Ruf weg: Alle hassten ihn. Als Margret plötzlich nach England musste, überließ sie mir das Biest. Jetzt musste ich es überallhin mitnehmen, aber für Margret tat ich es gern. Und sie revanchierte sich, indem sie mich nach ihrer Rückkehr bekochte. Manchmal führte uns auch ihr Verlobter zum Essen aus, und an unserem einen freien Tag in der Woche fuhren wir raus aus der Stadt, an den Lake Mead, den riesigen Stausee am Colorado River, der Las Vegas mit Wasser versorgt.
Wir alle gierten nach Wasser. Immerhin liegt Las Vegas in der Mojavewüste, im Sommer wird es leicht über vierzig Grad heiß. Zu jedem Hotel und zu jedem Apartmenthaus gehört deshalb selbstverständlich ein Pool. Und Las Vegas hatte damals, in den frühen Siebzigern, schon über dreihunderttausend Einwohner und 6,8 Millionen Touristen im Jahr. Die Stadt war voller Gipsys – den Tänzern, Schauspielern, Sängern und all den Menschen, die die Theater, Kasinos und Hotels am Laufen hielten. Sie alle prägten den Charakter dieses Ortes.
Hinzu kam: Las Vegas war eine junge Stadt, selbst für die USA. 1905 gegründet, hatte sie schon immer laxere Sitten als andere Orte, den Spitznamen Sin City trägt sie aus gutem Grund. Je länger ich dort wohnte, desto mehr faszinierte mich ihre Geschichte. Als Nevada in den Zwanzigern die Scheidungsgesetze lockerte, um mehr Einwohner anzuziehen, schossen in Las Vegas die Dude Ranches aus dem Boden, genau dort, wo heute die Strip-Hotels stehen. Wer sechs Wochen in einer Dude Ranch gewohnt hatte, hatte das Recht auf eine Quickiescheidung. In den frühen Dreißigern wurde das Glücksspiel legalisiert und Las Vegas explodierte förmlich. Illegales Spiel hatte es schon vorher gegeben und auch jetzt war vieles nicht legal, was die Kasinos betraf. Die Mafia zog alle Fäden, als in den Vierzigern die ersten Hotels mit eigenem Kasino gebaut wurden: üppige Paläste mit Spieltischen und Pools. In den Fünfzigern kontrollierte die Cosa Nostra die meisten großen Häuser. Las Vegas war eine »offene Stadt«, das National Crime Syndicate erlaubte es allen Clans und Familien, dort Geschäfte zu machen. Und die bereicherten sich natürlich: Die Gangster schleusten Kasinogewinne an der Steuer vorbei und schickten sie an die Mafiabosse weit weg in Chicago oder New York.
1951 kam in Las Vegas eine Attraktion hinzu, die ich mir heute kaum vorstellen mag:
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