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Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)

Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)

Titel: Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eveline Hall , Hiltud Bontrup , Kirsten Gleinig
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hochgezogen hatten. Zwar lagen auch Boutiquen in den Seitenstraßen des Strip, aber die Gäste sollten das Haus möglichst gar nicht verlassen. Sie sollten alle Shows besuchen, die slot machine vollstopfen und dann noch einen Pelzmantel kaufen. In Las Vegas dreht sich alles nur ums Geld. Es gibt keine Ecke, an der es nichts zu kaufen gibt.
    Wir Bluebells haben trotzdem gespart. Ich kannte keine, die spielte. Die meisten wollten ein Haus in der Stadt bauen oder sie mussten eins abzahlen. Der Immobilienmarkt von Las Vegas war damals schon unglaublich und bis heute wächst der spread mit den Vorstädten bis weit in die Wüste hinein. Im Vorort Henderson wohnt heute meine Freundin Rosemary. Ein Haus mit Pool, wie sie es dort besitzt, wäre in England oder Deutschland unbezahlbar – auch im Unterhalt. Die Grundstücke waren spottbillig damals, die Wüste war einfach unendlich. Und deshalb träumten fast alle Tänzer den gleichen Traum: für’n Appel und ’n Ei ein Häuschen zu kaufen.
    Wenn wir uns etwas leisteten, gingen wir essen nach der Show. Restaurants gab es von jeder Sorte, aber meist wollten alle ins Alpine Village. Bayerische Küche! Ich werde nie vergessen, wie diese grazilen Showgirls über Sauerkraut und Würstchen herfielen. Es war zu niedlich. Ich selbst liebte die Longdrinks in den exotischen Bars. Don’t ask me – da hab ich zugeschlagen!
    Nur tagsüber langweilte ich mich bald. Die Lido-Show war ein Job zum Geldverdienen und nach den zwanzig harten Jahren beim Ballett fühlte ich mich unausgelastet. Oft stand ich schon um zehn Uhr morgens auf und hatte nichts zu tun. Ich brauchte eine Aufgabe. Als Erstes lernte ich Jazztanz, das hatte ich in Hamburg versäumt. Wegen der vielen Showbühnen gab es gute Tanzschulen in Las Vegas und einmal die Woche ging ich zum Kursus. Ich dachte, vielleicht werde ich so endlich das Klassische los. Die Lockerheit aber erreichte nur meinen Kopf, sie blieb Theorie. Bis mein Körper sich frei tanzte, sollten noch ein paar Jahre vergehen.
    Gründlich abzunehmen schaffte ich immer noch nicht. Es reichte zwar aus, um Louise zu besänftigen, aber ich blieb weit entfernt von meinem alten Gewicht. Was habe ich alles versucht! Die schrecklichsten Diäten, vierzig hart gekochte Eier an einem Tag, sogar nachts bin ich stündlich aufgestanden und habe eins gegessen. Ich kann nur dankbar sein, dass ich noch lebe. Offenbar war ich ein so gesundes Menschenkind, dass all der Unsinn mir nicht schaden konnte. Nicht einmal die Fleischdiät und die war noch viel schlimmer.
    Vor noch mehr Selbstzerstörung bewahrte mich mein neues Hobby: Ich las medizinische Bücher. Keine Ahnung, wie es anfing, vielleicht fand ich in Margrets Sachen ein paar Bände. Ich studierte wieder Anatomie, wie auf der Berufsschule für Künstler, am meisten aber liebte ich das Book of Symptoms . Es half mir, Krankheiten zu erkennen und den Körper noch besser zu verstehen. Wann immer einem Mädchen etwas ziepte, dozierte ich los: »Gerade erst habe ich was über den Magen gelesen. Wahrscheinlich hast du eine Reizung der Mukosa.« Großmäulig hielt ich Vorträge, bis wir vor Lachen nicht mehr ernst tun konnten. Sie fanden es entzückend, dass Klopschi sich nun auch noch dafür interessierte, doch gleichzeitig hatten sie Hochachtung vor mir. Am Ende sagte Margret zu jedem, der kränkelte: »Ask Doctor Klopsch. She’s gonna tell you.«
    So komisch es war, ich habe durch diese Bücher vieles gelernt, was mir bis heute hilft. Zum Beispiel: Wenn ein Leiden harmlos ist, geht es von selbst wieder weg. Was wirklich ernst ist, wird schlimmer. Das habe ich mir fürs Leben gemerkt. Ich sage oft zu Gisela: »Mami, der Schmerz denkt nicht, am Donnerstag mach ich mal Pause und Freitag komm ich vielleicht wieder. Wenn er weg ist, kannst du ihn vergessen.« So beruhige ich sie – und mich natürlich auch. Bevor ich zum Arzt gehe, versuche ich, mich selbst zu kurieren. Das war schon in Las Vegas so, da musste schon ein schlimmes Virus kommen. Ich sagte: »Doctor, I have no fucking time. Just give me a pill, and that’s it.« Es wurde nicht lange gefackelt, oh no! Ich kriegte eine Hammertablette und trat am Abend auf. So waren wir eingestellt und unser Dr. Kleifgen natürlich auch. Alle Bluebells gingen zu ihm und ich liebte ihn abgöttisch. Er wurde mein Leibarzt und zeigte mir, wie wenig Medizin ich als gesunder Mensch brauche. Seine Praxis war die reinste Baracke. Auf den ersten Blick hätte man meinen können, er sei ein

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