Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)
geschieden waren. Ich bekam wieder Angst vor seinen Wutausbrüchen, vor diesem irrationalen Verhalten. Als das Essen vor uns stand, fing er plötzlich an zu beten. Ich starrte ihn an. »Betest du nicht?«, fragte er vorwurfsvoll. »Du weißt, dass ich vorm Essen nicht bete, und wir haben das früher auch nie getan.« Doch er war mittlerweile Pastor in einer Methodistenkirche. Wie ich ihn kannte, hatte ersogar die Bibel auswendig gelernt. Es gefiele ihm bestimmt, wenn ichsittsam und ungeschminkt, mit streng geknotetem Dutt an der Kirchentür stünde. Was für ein Albtraum! Und doch: Ich sehe vor allem seine guten Seiten. Wäre er nur ein Trottel gewesen, dann wäre ich ja auch einer. Das aber lasse ich nicht auf mir sitzen. Ich habe vieles an ihm gemocht, und ich habe vieles versucht, um unsere Beziehung zu retten. Ihn zu verlassen fiel mir unsäglich schwer, bis zum letzten Tag.
Am Karfreitag 1976, ganz Hamburg versank im Schnee, räumte David unsere Wohnung. Mein Vater hatte einen Lkw vom Ernst-Deutsch-Theater geliehen, in den trugen sie unsere Möbel, um sie erst einmal auf dem Dachboden meiner Eltern zu verstauen. Ich war weit weg, zum Glück. Es war der erste Tag einer Modetournee mit Burda, es ging durch Österreich und die Schweiz. Wir traten viermal täglich auf und schliefen jede Nacht woanders. Es war anstrengend, aber gut bezahlt. Und treu an meiner Seite: meine Dicke.
— THEATER —
Der rote Teppich
»Ich tanze morgen am Thalia Theater für Sweet Charity vor«, sagte die Dicke, als wir zurück in Hamburg waren. »Willst du es nicht auch versuchen?« Ein toller Vorschlag, aber ich zögerte. Ich hatte gehört, dass ein ehemaliger Solotänzer der Staatsoper Regie führte, mit dem ich im Ensemble getanzt hatte. Er hatte all die alten Querelen miterlebt, den Neid und die Missgunst. Schon bei dem Gedanken, ihm vorzutanzen, kamen all die unguten Gefühle wieder hoch. Ich rebellierte innerlich. Auf keinen Fall wollte ich mich von ihm prüfen und begutachten lassen. Nie wieder wollte ich mich so fühlen wie damals als Elevin. Aber die Dicke ließ nicht locker: »Dann schau doch einfach nur zu.« Als wir die Tür zum Probensaal öffneten, stand mein alter Kollege Helmut Baumann vor mir: »Klopschi! Was machst du denn hier? Ich hab gehört, du warst in Las Vegas. Willst du nicht bei uns mitmachen? Das Vortanzen können wir uns sparen, ich weiß ja, was du kannst.« Alles hatte ich erwartet, nur das nicht. Ohne weitere Fragen schickte er mich direkt ins Personalbüro, wo man meine Daten aufschrieb, und innerhalb von zehn Minuten hielt ich einen Vertrag in der Hand. Auch die Dicke bekam eine Rolle und so hatten wir doppelten Grund zum Feiern.
Schon bald begannen die Proben. Wir lernten die ganze Truppe kennen – alle Schauspieler und den musikalischen Leiter Rolf Kühn. Es machte wahnsinnigen Spaß. Ich spielte eines der Taxigirls und bekam dazu noch eine kleine Soloeinlage mit einer anderen Tänzerin. Von Anfang an fühlte ich mich integriert und war beflügelt von der offenen Atmosphäre. Abends nach den Proben gingen wir zusammen essen, meist bei Onofrio in der Steinstraße. Wie eine große Familie, und ich mittendrin. Alle nannten mich »Püppi«, um mich von Evelyne der Dicken zu unterscheiden. Und dieser Name setzte sich nun auch am Theater durch. Von Helmut Baumann über den Intendanten Boy Gobert bis hin zu meiner Schauspielkollegin Nicole Heesters – alle nannten mich Püppi. Auch Bigi Fischer, eine junge Österreicherin, die am Thalia gerade die Titelrolle in Lady Windermeres Fächer spielte und oft in unseren Proben saß. Sie fand es toll, bei uns Musicalluft zu schnuppern, denn sie liebte auch Tanz und Gesang. Ich war umgekehrt ganz erpicht darauf, alles aufzusaugen, was mit Schauspiel zu tun hatte, und sah mir ihre Proben an. Schnell war klar, dass wir uns perfekt ergänzten. Wir waren hingerissen voneinander und schon bald engste Freundinnen. Das sind wir noch heute. Vor Kurzem bin ich nach Wien gereist, um die letzte Vorstellung ihres Stücks im Theater in der Josefstadt zu sehen.
Ich entdeckte am Thalia Theater mal wieder eine völlig neue Welt. In dieser Abenteuerstimmung verliebte ich mich in einen Kollegen. Er war einer der großen Schauspieler am Haus und strahlte etwas aus, was ich vorher nie bei einem Mann gespürt hatte. Etwas, dem ich mich nicht entziehen konnte. Er wirkte auf mich wie ein Magnet. Es dauerte nicht lange, bis wir ein Paar wurden, und ich war völlig fasziniert von ihm.
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