Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)
ich toll, weil wir Models und Tänzerinnen eine verschworene Truppe wurden – wie ich es von den Bluebells kannte. Bei der Anprobe wurde entschieden, wer welches Teil tragen würde. Wenn mehrere Looks zusammenpassten – dieselbe Farbe, dasselbe Material –, bildeten wir daraus kleine Gruppen. Und erst wenn all das feststand, entwickelten wir die Choreografie. Alles lief systematisch ab. Wir spielten Boney M. und Barry White und all die funkigen Nummern, die gerade aktuell waren. Die Formationen und Schrittfolgen einzustudieren machte mir enormen Spaß. Wir tanzten ein bisschen Jazz, ein bisschen Fernsehballett, ein bisschen von allem. Und plötzlich konnte ich es – richtig gut! Was ich im Lido nicht geschafft hatte, was ich beim Jazztanz nur im Kopf begriff, das setzte mein Körper nun um, ohne dass ich weiter üben musste. Die Lockerheit war plötzlich da. Ich ging aus mir heraus und hatte meine helle Freude.
Heute weiß ich, dass das typisch für mich ist. Alles, was ich in meinem Leben je gelernt habe, ist in mir, bis zum heutigen Tag. Ich habe nichts vergessen, mein Geist und mein Körper können es jederzeit abrufen. Oft tat ich mich so schwer beim Lernen, dass nur mein Fleiß und Ehrgeiz mich ans Ziel brachten. Jetzt weiß ich warum: Erst über Monate und Jahre reift mein Können wirklich aus. Und ist die Erntezeit gekommen, geht alles wie von selbst. Ohne nachzudenken, lege ich los.
Für mich ging es nun zweimal im Jahr zur Modewoche nach München, dazwischen tanzte ich auf Schauen in Düsseldorf, Wuppertal und Berlin. Oft waren Pelzmoden dabei. Die Tierschützer lancierten damals noch keine Kampagnen, man trug die Mäntel ganz unbekümmert. Oder wir zeigten Schmuck, dazu trugen wir knappe Badeanzüge. Meist arbeitete ich für Zoern, Fendi, Dior und Balmain– es war eine einzige Pracht. Ich hatte mir nie viel aus Designern gemacht und lieber mit meinen Kostümen experimentiert. Doch jetzt schwelgte ich in all der Eleganz. Ich trug ein Kleid von Dior und verliebte mich auf der Stelle in das Ding. Damals konnten wir nach den Auftritten die Musterteile kaufen, für fünfzig oder sechzig Mark. Das war eine Gelegenheit, die ich ergreifen musste. Ich fragte höflich, ob ich das Kleid zum halben Preis behalten dürfe – ja! Ich besitze es noch heute, auch meine zwei Pelze von Dieter Zoern.
Die Shows und das ganze Drumherum – ich habe es geliebt! Wir wohnten in tollen Hotels, wurden köstlich verpflegt, alles war unglaublich luxuriös. Wir Mädchen verstanden uns gut, oft tanzten zwanzig in einer Show und danach empfahl eine die andere weiter.
Auf dem Laufsteg in Düsseldorf lernte ich Linda Naujok kennen. Sie lebte auch in Hamburg und so trafen wir uns schon im Zug und mochten uns auf Anhieb. Als wir später zusammen ausgingen, kam sie mit ihrem Freund Ted Linow. Hätte ich damals geahnt, dass dies der Anfang einer großen Geschichte sein würde! Fünfunddreißig Jahre später sollte ich ihn wiederfinden, als guten Freund und Modelagenten. Es ist bemerkenswert, dass Ted und ich schon damals dieses Leben wählten, auch wenn es noch einige Umwege brauchte, bis wir uns zusammentaten. Ted war Anfang zwanzig und ein richtig guter Rollkunstläufer. Bei der Europameisterschaft hatte er den dritten Platz belegt. Seine Rollschuhe waren lange Zeit alles für ihn, doch als wir uns damals begegneten, plante er schon seine Zukunft als Modenschau-Choreograf und Agenturchef. Er war verrückt und liebenswert. Um das Geschäft kennenzulernen, fuhr er bei uns mit und guckte sich viel von dem Business ab, bis er dann selbst mit Linda einstieg. Sie arbeiteten für Karl Lagerfeld und Oscar de la Renta; Linda organisierte und er choreografierte. Ted war schon als Rollschuhläufer verspielt, jetzt brachte er seinen Witz in seine neue Arbeit ein. 1991 gründeten Linda und Ted ihre eigene Agentur: Mega Models Agency, die er heute allein führt, als Chef von Hunderten Jungs und Mädchen – und eins davon bin ich.
Ted kennt mich also schon sehr lange. Er weiß, was ich am Modeln mag und was nicht. Die Schauen sind heute sehr viel karger, die Choreografien schlicht. Die Mädchen laufen den Catwalk aller-retour und verschwinden dann wieder. Die Musik ist ein ödes Gestampfe. Wie anders waren unsere getanzten Schauen! Wir traten oft in Zelten auf oder in großen Hotels, das Publikum drängte sich bis in die kleinste Lücke, es war ein sensationelles Spektakel.
Die Rückkehr nach Hamburg war die richtige Entscheidung. Mein Leben
Weitere Kostenlose Bücher