Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)
vielen Verwechslungen in der Komödie zu arbeiten. Aber was ich bald langweilig fand, war meine Rolle. Ich hätte lieber einen Mann gespielt, den Malvolio oder den Rülps. Die schöne, reiche Gräfin schien mir langweilig dagegen. Sie gab mir nichts. Das war eine einschneidende Erkenntnis: Ich hatte beim Ballett jahrelang klassische Rollen getanzt und war vollkommen darin aufgegangen. Das Klassische war ein Teil von mir geworden. In Las Vegas hatte ich deutlich gespürt, wie schwer es mir fiel, mich davon zu befreien. Jetzt wurde mir klar, dass mich im Schauspiel etwas anderes reizte. Ich wollte nicht um jeden Preis die großen klassischen Rollen spielen. Sie waren es nicht, aus denen ich am meisten für mich zog. Ich wollte auch persönlich profitieren von dem Aufwand, mit dem ich mir eine Rolle erarbeitete, von dem stundenlangen Proben und Textlernen und all den Gedanken, die Tag und Nacht um die Figur kreisten. Am meisten interessierten mich die kantigen oder schrulligen Rollen. Ihnen konnte ich am meisten Farbe geben. Deswegen reizte mich die Maggy in Einer muss der Dumme sein von Georges Feydeau. Mark Zurmühle, der damals Schauspieldirektor in Basel war, brachte das Stück 1985 in einer tollen Inszenierung auf die Bühne. Ich trug ein Kostüm, das wie ein Sack an mir hing, und einen Hut, der wie eine Glocke auf meinem Kopf saß, dazu baumelte ständig ein Täschchen an meinem Arm. So unfassbar hässlich stöckelte ich über die Bühne und sprach mit englischem Akzent. Das passte hervorragend zu dem Leid dieser Figur. Sie zu spielen machte mir Wahnsinnsspaß und alle waren hingerissen, sogar Günther Beelitz, der Generalintendant aus Düsseldorf, der mich gleich für die Rolle haben wollte, falls das Stück dort aufgeführt würde. Neben den komischen Rollen und den Hosenrollen reizten mich die gebrochenen Figuren. Von heute aus betrachtet war meine beste und interessanteste Rolle die der Elizabeth Proctor in Arthur Millers Hexenjagd , die 1986 in Basel inszeniert wurde. Mit meiner hageren Gestalt lag mir diese verletzte Figur ohnehin, aber ich setzte noch einen weiteren Akzent, der über das Äußere hinausging. Ich spielte die Frau in all ihrer Gebrochenheit und spürte, dass das vollkommen dem widersprach, was die anderen auf den ersten Blick von mir erwarteten: die Schöne, die Beherrschte, die Geliebte. Ich wollte lieber in die Haut der Hässlichen, der Wilden, der Außenseiter schlüpfen. Das waren meine Rollen! Bis heute interessieren mich diese Figuren, die im Gegensatz zu dem stehen, was ich sonst verkörpere. Diese Spannung ist es, die mich erfüllt. Rückblickend habe ich eine weitere Erklärung dafür, warum mir die schrägen Rollen gerade in Basel so gefielen. Ich wollte es den Kollegen zeigen. Denn wie an der Staatsoper betrachteten mich auch hier viele mit Missgunst. Sie nahmen es mir übel, dass ich als Quereinsteigerin all die tollen Rollen spielen durfte, die sie nicht bekamen. Und gute Kritiken noch dazu. Intendanz, Dramaturgie und die Regisseure standen hinter mir, mein Vertrag wurde Jahr für Jahr verlängert, aber innerhalb des Ensembles war es schwierig, von Anfang an. »Die Hupfdohle aus Las Vegas« nannten sie mich. Das versetzte mir jedes Mal einen Stich. Ich erinnerte mich an die drei Affen, die van Dyk mir geschenkt hatte, und versuchte, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren.
Erfolg und Außenwirkung einer Inszenierung waren schöne Bestätigungen, sie konnten mich aber nicht mit langweiligen Rollen versöhnen. Das beste Beispiel dafür ist Die Möwe von Anton Tschechow, die 1987/88 in Basel auf dem Spielplan stand. Die Inszenierung war ein Riesenerfolg und bekam eine große Kritik in der Zeitschrift Theater heute , in der ich explizit und positiv hervorgehoben wurde. Das war zwar ein Erfolg, von dem man nur träumen konnte, aber die Arbeit selbst zählt für mich nicht zu den Glanzlichtern meiner Theaterzeit.
Den meisten Spaß hatte ich, wenn ich einen Teil von mir selbst auf der Bühne einbringen und strahlen lassen konnte. Manchmal waren das kleine Geschichten, die in einer Improvisation plötzlich auftauchten und gut zu meiner Rolle passten. Ich erinnere mich, wie wir für Andorra probierten. Ich spielte die Senora und wir improvisierten die Szene mit dem Lehrer. Um den Konflikt der Figuren zu fassen, versetzte ich mich zurück in einen Streit mit David, in dem es wie so häufig um Geld gegangen war. Ich dachte damals oft daran, weil unsere Scheidung gerade abgewickelt worden
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