Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)

Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)

Titel: Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eveline Hall , Hiltud Bontrup , Kirsten Gleinig
Vom Netzwerk:
und brach auf.
    Joël hieß dieser Freund vom Freund. Er wohnte etwas außerhalb von Paris mit seinem Sohn in einer zauberhaften Villa. Ich hatte fast eine ganze Etage für mich und konnte das gesamte Haus mitnutzen. Nach meiner Einzimmerwohnung in Basel fand ich die großzügigen, hübschen Räume wundervoll und fühlte mich sehr willkommen. Jeden Tag fuhr ich mit einer kleinen Bahn in die Stadt bis zur Gare de l’Est und erkundete Stück für Stück Paris. Als Erstes wollte ich die Lido-Leute besuchen. Schon 1977 war das Lido aus dem niedlichen Theater, das ich kennengelernt hatte, umgezogen ineinen größeren Saal. Auch dieser lag an der Avenue des Champs-Élysées, wo das Lido bis heute zu finden ist. Ich erklärte am Bühneneingang, dass ich vor langer Zeit – achtzehn Jahre war es her– zu den Bluebells gehört hatte. »J’ai dansé dans la compagnie de Madame Bluebell, Donn Arden, Louise Rodes …« Der Mann schaute mich mit großen Augen an und brachte mich tatsächlich zu Madame Bluebell. Natürlich durfte ich die Show ansehen, aber sie war nicht mehr das, was ich gekannt und geliebt hatte. Statt in dem plüschigen Revuetheater saß ich in einem riesigen, anonymen Raum. Ich fand es furchtbar.
    Aber die Stadt selbst faszinierte mich noch genauso wie damals bei unserem Gastspiel im Théâtre des Champs-Élysées. Jeden Tag schlenderte ich durch die Straßen. Vor allem die Künstlerviertel St.-Germain-des-Prés und das Quartier latin hatten es mir angetan. Ich verbrachte Stunden in Cafés, ließ mich treiben auf den Spuren all der Literaten, die hier gelebt hatten, von Blaise Cendrars bis Anaïs Nin. Doch es war Henry Miller, der mich damals am meisten faszinierte. Ich ging in Bibliotheken, um zu lesen – am liebsten Künstlerbiografien –, und zu Shakespeare & Company, wo ich schön sitzen und schmökern konnte. Ließ mich ganz ein auf den Geist dieses Freiseins und Entdeckenwollens. Das war meine Welt. Ich zog mich auch so an, als gehörte ich in diese Zeit, trug nur schwarze Sachen, meist lange, schwarze Kleider. Oft kam ich auf meinen Streifzügen mit Leuten ins Gespräch und zog mit ihnen eine Weile durch die Gegend. Einmal lernte ich in der Bahn einen jungen Mann kennen. Er schaute mich direkt und zugleich sehr vornehm an. Als ich ausstieg, kam er hinter mir her. »Tu veux boire un café avec moi? Are you English?« – »I’m not English but I speak English.« Ich ging mit ihm ins nächste Café und wir kamen sofort ins Reden. William war sechsundzwanzig, Fußballer in Caen und stammte aus einer Diplomatenfamilie. Er war ein Schwarzer, der sich toll bewegte mit seinem durchtrainierten Körper, er strahlte Erotik und Bildung aus. Dass ich deutlich älter war als er, störte ihn offenbar nicht oder er nahm es gar nicht wahr. Wir waren eine Weile liiert, bis er mir eines Tages erzählte, er habe mit einer anderen geschlafen. Wie nebenbei erwähnte er das und wollte gleich darauf mit mir ins Bett. Da sagte meine innere Stimme mir Stopp. Bei dem Gedanken, eine von vielen zu sein, war sofort die Erinnerung an damals wieder da, an die Beziehung am Thalia Theater, in der ich mich so hatte herumschubsen lassen. Damals hatte ich mir geschworen: Das passiert mir nicht noch einmal! Ohne lange zu fackeln, packte ich meine Sachen und ging. Trotzdem: Es tat mir leid um unsere schönen Momente, auch wenn ich wusste, dass unsere Geschichte nicht ewig dauern würde. Mit William konnte ich philosophieren und im Bett die irrsten Dinge aufführen. Er war ein toller Junge.
    Und dann war plötzlich Serge da. Ich suchte ihn nicht, er war einfach da. Wir lernten uns bei einer Bekannten kennen, einer Deutschen, die bei Arte arbeitete und in der banlieue wohnte. Schon am ersten Abend merkte ich, dass der junge Mann sich für mich interessierte. Ich fand ihn wahnsinnig langweilig! Schon rein äußerlich. Seine untrainierte Figur, die nichtssagenden Klamotten – das sprach mich überhaupt nicht an. Meine Bekannte musste nach diesem Abend für einige Zeit verreisen und überließ mir ihre Wohnung. Nun stand Serge jeden Morgen mit Baguette vor der Tür. Ich wusste gar nicht, was er von mir wollte, fand ihn fast lästig, dachte aber andererseits: Bevor du allein hier rumhockst, kannst du auch mit ihm zusammen frühstücken. Eines Morgens fiel mir mein schwarzes Seidenhemd in die Hand. Ich dachte, es könnte ihm gut stehen, und schenkte es ihm. Serge probierte es gleich an und sah mit einem Mal völlig verändert aus, seine

Weitere Kostenlose Bücher