Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)
Rolle.
Dass die Wiener Festwochen den Abschied vom Thalia Theater einläuteten, ahnte ich nicht. Als ich zurückkam nach Hamburg, stand der Intendantenwechsel bevor. Peter Striebeck war der neue Mann an der Spitze. Er würde mich gern behalten, sagte er, aber ich war nun schon fünfunddreißig Jahre alt. Da könne ich an einer kleineren Bühne größere Rollen spielen. Dennoch bot er mir die weibliche Hauptrolle in Mein Freund Harvey an. Dieter Wedel würde das Stück inszenieren und der wolle mich erst einmal kennenlernen. Kurz darauf saß ich für ein erstes Gespräch bei Wedel zu Hause auf dem Sofa. Er erzählte von seiner aktuellen Fernsehserie Schwarz Rot Gold , die er gerade in München drehte. Hannelore Elsner und Uwe Friedrichsen spielten die Hauptrollen, und ich könne doch auch einen kleinen Part übernehmen, damit wir uns bei der Arbeit beschnuppern konnten. Wieder bekam ich unverhofft eine tolle Chance! Zwischen den Aufführungen in Wien fuhr ich zum Dreh nach München – mein erster Kontakt zur Filmwelt. Ich spielte eine Verkäuferin in einer Szene mit Hannelore Elsner. Kurz vor dem Probenbeginn in Hamburg änderte Wedel sein Konzept für Mein Freund Harvey. Die geplante Besetzung verschob sich, und ich sollte nicht mehr die Hauptrolle spielen, sondern eine kleinere Figur. Damit war ich nicht einverstanden. Aus dieser Rolle konnte ich nichts lernen, sie brachte mir überhaupt nichts. Wir diskutierten hin und her im Haus, fanden aber keine Lösung und am Ende zog ich es vor zu gehen. Ich wusste, dass ich mir meinen Platz anderswo suchen musste. Am Thalia ging es für mich nicht weiter.
Bigi war in der Zwischenzeit ans Düsseldorfer Schauspielhaus gewechselt. Sie schlug mir vor, mich auch dort zu bewerben. Wir beide wieder in derselben Stadt, am selben Theater – das war eine wunderbare Vorstellung. Damals inszenierte Roberto Ciulli in Düsseldorf, einer der ganz großen Theaterleute dieser Zeit. Er hatte einen sehr eigenen Stil, der mich wahnsinnig ansprach. Für Ciulli stand die Improvisation im Mittelpunkt, er entwickelte die Inszenierungen in langen Prozessen gemeinsam mit den Schauspielern. Der Text wurde ständig verändert, selbst während der Aufführungszeit noch. Ciulli war in den Siebzigerjahren Schauspieldirektor in Köln gewesen, jetzt hatte er das Theater an der Ruhr gegründet und stellte das Ensemble zusammen. Viele Düsseldorfer Schauspieler wollten dort einsteigen. Als ich Bigi besuchte, gab er mir spontan die Chance vorzusprechen. Im Gremium saßen alle, die schon fest engagiert waren. Sie beschlossen gemeinsam, wer aufgenommen wurde und wer nicht – so forderte es das Konzept. Es war ein Mammutvorsprechen. Vier Stunden dauerte die Prozedur, die härteste Aufnahmeprüfung, die ich je erlebt habe. Und die Schönste, obwohl am Ende klar war, dass meine Erfahrung nicht ausreichte. Ich sah, dass diese Truppe etwas sehr Spezielles plante und dass sie Leute brauchten, die schon viele Jahre auf der Bühne gestanden hatten. Vor mir saß ein erfahrenes Team mit hohen Ansprüchen an seine Kollegen. Niemand hier hätte mich fördern oder aufbauen können, so wie ich es zuvor schon oft erlebt hatte. Das konnte ich akzeptieren. Und ich lernte unglaublich viel bei dieser intensiven Improvisation. Die Leute aus dem Gremium erfanden Texte und ich musste reagieren, einfach drauflosspielen. So hatte ich noch nie gearbeitet. Ich kam bis hart an meine Grenzen und trotzdem spürte ich, dass ich improvisieren konnte. Mit dieser Gewissheit ging ich hinaus.
Mit Bigi überlegte ich, wie es nun weitergehen konnte. Ich verbrachte ein paar Tage bei ihr, fand Abstand zum Thalia Theater und fragte mich, was ich eigentlich wollte. Nach dem Vorsprechen war es mir klarer als vorher: Ich wollte Theater spielen, große Rollen. Nur die Schleppe zu tragen, wie mein Vater immer sagte, war mir zuwenig. Bigi riet mir, ihren Regisseur Volker Hesse anzusprechen, vielleicht könne er etwas für mich tun. Auch Hesse war damals ein großer Name in der Szene. Er leitete später das Theater am Neumarkt in Zürich und ab 2001 das Maxim-Gorki-Theater in Berlin. Für Bigis Vorschlag war er gleich offen. Wir gingen auf die Probebühne und arbeiteten zwei Stunden lang miteinander. Da ihm mein Spiel gefiel, hatte er eine Idee: »Ich mache nächstes Jahr Was ihr wollt am Theater in Basel und dich sehe ich da als Olivia. Ich kann nichts versprechen, aber ich schaue mal mit dem Intendanten, ob es eine Möglichkeit gibt.« So war der Weg
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