Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)
ganze Erscheinung, das lange schwarze Haar – mit dem schwarzen Hemd hatte er plötzlich etwas. Ein paar Tage später war der 14. Juli, der französische Nationalfeiertag. Als es morgens klingelte, dachte ich genervt, jetzt kommt der schon wieder, und öffnete die Tür. Er küsste mich rechts und links auf die Wangen und diese kleinen Berührungen fuhren wie warme Wellen durch meinen Körper. Auf einmal war alles ganz anders. Da war ein Geruch, den ich vorher nie an ihm wahrgenommen hatte. Ich war verwirrt und dachte nur, Eveline, du musst schnell weg hier, das geht gar nicht. Ich war doch gar nicht verliebt in ihn! Während ich versuchte, meine Verwirrung beiseitezuschieben, schlug Serge mir vor, eine Freundin in Aix-en-Provence zu besuchen. Dort könnten wir das Wochenende verbringen, er würde mir die Gegend zeigen. Ich lehnte sofort ab. »Ich fahr nirgendwohin mit dir!« – »Gut, aber nur, dass du’s weißt, Paris ist über den 14. Juli komplett ausgestorben. Da fliegen alle aus.« Ich stellte mir ein langweiliges Wochenende in Paris vor – da schien mir der Ausflug nach Südfrankreich doch verlockend. »Okay, ich komme mit. Aber eins kann ich dir gleich sagen: Ich schlafe nicht mit dir!« Wir fuhren raus aus der Stadt, immer Richtung Süden. Die Strecke war zu weit, um bis nach Aix durchzufahren, darum machten wir in einem Hotel Station. Schon dort merkte ich, wie erregt er in meiner Nähe war, und wünschte mich nach Paris zurück. Wäre ich nur nicht mitgefahren! Am nächsten Tag kamen wir bei seiner Freundin Suzanne an. Sie war Malerin und lebte mit ihrem Mann in einem wunderschönen Haus mit Garten und Swimmingpool. Offensichtlich dachte sie, Serge und ich wären ein Paar, und bot uns gleich ein gemeinsames Zimmer an. Und als wir zu Bett gingen, passierte es doch. Ich verstand mich selbst nicht. Am nächsten Morgen sagte ich gleich als Erstes zu ihm: »Une fois – plus jamais! C’est clair?«, das war das erste und letzte Mal. »Oui, ça va«, alles klar. Tagsüber spielten wir Tischtennis im Garten, und immer wenn wir die Seiten tauschten und er in meine Nähe kam, spürte ich eine Anziehung, die ich bei niemandem je empfunden hatte. Nicht einmal bei David, in den ich so verknallt gewesen war. Mein erstes Mal mit Peter van Dyk war eine geplante Sache gewesen, nachdem ich jahrelang in ihn verliebt war. William hatte ich mitgenommen, als tolle Erfahrung nebenbei. Auf diese Nummer aber war ich nicht vorbereitet. Warum reagierte ich so auf diesen Mann? Ich war richtig sauer auf mich selbst. Am Abend kochte Serge für alle. Ich schaute zu, wie er das Essen vorbereitete, die Zutaten schnitt, Kräuter im Garten pflückte und den Tisch schön deckte. Noch dazu schmeckte es fantastisch. Wir saßen die halbe Nacht draußen und am Ende kam, was kommen musste: Wir landeten wieder zusammen im Bett. Von da an schlief ich ständig mit ihm. Ich schlief so unglaublich mit ihm, dass ich mich selbst nicht wiedererkannte. Es war besser als je zuvor mit einem anderen Mann. Ich hatte dieser Lust nichts mehr entgegenzusetzen.
So ging es eine ganze Weile, bis ich irgendwann ein Angebot vom Theater im Westen in Stuttgart bekam. Ich sollte in der Spielzeit 1990/91 die weibliche Hauptrolle in Der kleine Horrorladen spielen, die Audrey. Da sah ich meine Chance, aus dieser Affäre herauszukommen. »Serge«, sagte ich, »das wars jetzt. Es war toll mit dir, aber ich muss zurück nach Deutschland. Wir haben hier ohnehin keine Zukunft. Du hast keinen festen Job und ich nur mein Erspartes. Daraus kann nichts werden. Und außerdem fehlt mir das Theater.« Da brach alles für ihn zusammen. Er bekam richtig Angst, als würde man ihm das Wichtigste im Leben nehmen. So sehr liebte er mich mittlerweile. Darum ließ er mich nicht gehen. Er sah die Notwendigkeit auch gar nicht. Es sei doch alles zu verbinden, es gebe doch gar kein Problem. Ich könne in Stuttgart Theater spielen und zwischendurch zu ihm nach Frankreich kommen. Das Wichtigste sei, dass wir zusammenblieben. Ich müsse auf gar nichts verzichten. Das alles erklärte er mir so intensiv und farbenfroh, dass ich auf einmal wusste: Mit dem geh ich nicht unter. Auch wenn er keinen festen Job hatte und in den Tag hineinlebte, stand er doch mit beiden Beinen auf der Erde. Er ruhte in sich und wusste genau, was er wollte, nämlich mit mir leben. Dafür gab er alles. Auf einmal sah auch ich kein Problem mehr. Was hatte ich in dieser Beziehung denn zu verlieren? Wenn es nicht klappte,
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