Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)
schon geebnet, als ich zum Vorsprechen nach Basel kam. Ich hatte die Orsina aus Emilia Galotti vorbereitet und dieses Mal passte alles. Sie engagierten mich sofort, denn neben der Olivia hatten sie schon zwei weitere Rollen für mich – die Heather im Musical Ich steig’ aus und mach’ ’ne eigene Show und die Isa in Yvonne, Prinzessin von Burgund, einem Stück von Witold Gombrowicz. Ich verstand es selbst kaum. Übergangslos bekam ich ein festes Schauspielengagement in Basel, ich, die gelernte Tänzerin. Wieder einmal packte ich meine Sachen und zog in eine neue Stadt, ein neues Land.
Acht Jahre auf dem Sprung
Ich dachte nicht, dass ich lange in Basel bleiben würde. Mein Vertrag konnte jedes Jahr gekündigt werden und so nahm ich diese neue Etappe von Anfang an als Provisorium. Dass ich mehrere Jahre – am Ende waren es acht – als Schauspielerin fest zum Ensemble gehören würde, kam mir gar nicht in den Sinn. Deshalb wollte ich mich nicht allzu häuslich niederlassen, sondern lieber Geld sparen – für meine Urlaube und für das, was danach kam. Was auch immer das sein würde. Ich nahm mir eine Einzimmerwohnung ganz in der Nähe des Theaters. Sie war bescheiden, fast armselig, aber ich mochte sie und richtete sie mit ein paar Möbeln ein, die mich seitdem durch mein Leben begleiten: ein kleiner Tisch, den ich in Düsseldorf gekauft hatte, und ein Stühlchen, beides echte englische Antiquitäten, für die ich mich damals zu interessieren begann. Dazu stellte ich eine süße französische Couch. Das reichte mir aus. Mehr Mobiliar wäre mir wie Verschwendung vorgekommen. Andere Dinge erschienen mir wichtiger: Ich aß viel zu gern und flanierte durch die Stadt, die mir sehr gefiel, weil sie etwas Eigenes hatte. Eine Stadt, in der Kunst ganz wichtig war, das roch man förmlich. Ich erkundete die Umgebung, fuhr an freien Tagen nach Allschwil und machte Ausflüge nach Frankreich, das gleich um die Ecke liegt. Ich hatte also nicht das Gefühl, auf etwas zu verzichten. Und wollte ich mit meinen Eltern sprechen, dann riefen sie mich an, um mir die teuren Ferngespräche aus der Schweiz zu ersparen.
Obwohl ich wie auf dem Sprung lebte, ging ich mit Euphorie und großem Engagement an das neue Theater. Ich hatte so viel nachzuholen! All die jungen Rollen, die Gretchens, hatte ich ja ausgelassen, stattdessen war ich quasi als Marthe Schwerdtlein gestartet. Ich konzentrierte mich ganz aufs Theater, wollte nun alles perfektionieren, was ich in den letzten Jahren gelernt hatte. Da kam mein Tänzerinnendenken durch. Das Theater Basel war dafür genau der richtige Ort, denn es war ein Repertoiretheater, an dem ich viele große Rollen spielen konnte. Noch dazu war es ein Dreispartenhaus, das neben dem Sprechtheater auch Musik- und Tanztheater bot. Wann immer Bigi mich besuchte, schauten wir uns die Aufführungen an, Theater, Ballett und Opern. Mit ihr ging ich nun auch auf Reisen. Wir flogen nach New York und sahen Rudolf Nurejew tanzen – es war ein magischer Moment, nachdem ich viele Jahre vorher mit ihm an der Ballettstange in Cannes gestanden hatte. Das Theatererleben mit Bigi war etwas ganz Besonderes, das ich mit keinem anderen Menschen teilte. Uns verband das ästhetische Empfinden, wir sahen und fühlten das Gleiche. Nach einem Theaterbesuch konnten wir stundenlang über unsere Eindrücke reden. Wir beflügelten und inspirierten einander, auch in der Musik: Sie spielte Klavier und ich sang. Diesen Gleichklang genossen wir in vollen Zügen. Wir ließen es uns gut gehen, manchmal sogar zu gut, wie damals im Urlaub am Gardasee. Die letzten Tage dort wollten wir besonders schön verbringen und nahmen ein Hotel, das Bigi gefunden hatte. »Das hab ich im Michelin rausg’sucht, des nehm ma jetzt, das is a Wahnsinn!« Das war es wirklich. Es lag in einem großen Park, verwunschen wie bei Dornröschen, an jeder Ecke standen Kellner und in unserer Suite hörten wir italienische Musik. Wir seufzten genüsslich: Das war der wundervollste Urlaubsabschluss, den wir uns denken konnten. Doch bei der Abreise bekamen wir die Rechnung – im wahrsten Sinne des Wortes. Bigi ging bezahlen, während ich mich in der Hotelhalle herrschaftlich in einem Sessel niederließ. Plötzlich stand sie mit großen Augen vor mir: »Halt dich fest. Den Preis, den wir jetzt zahln für die andertalb Tag’, des kannst net glauben. Hast eh die American-Express-Karten dabei? Na, die werd’n wir brauch’n. Ich hab mich mit die Lire vertan.« Die Nacht
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