Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)
Lydia Hearst, Eliza Cummings, Coco Rocha, Karolin Wolter, und produziert wurde das Ganze nicht in irgendeinem Studio, sondern in der Technodisco Tresor. Esging nicht nur um Werbebilder, die Fotos sollten auch in einer Ausstellung in Düsseldorf gezeigt werden. Gleichzeitig drehten sie einen Making-of-Film von dieser Produktion. Was für ein Job! Was für ein Missverständnis!
Wir alle, Jungs und Mädchen, tanzten und räkelten uns vor rohen Wänden und Eisengittern, in Lack und Leder, mit punkigem Make-up. Das Team erzählte mir, sie hätten viele Reifere getestet, doch keine habe ihren Vorstellungen entsprochen. Jetzt waren sie baff, dass ich in diese Latexanzüge in Größe vierunddreißig passte. Von wegen Großmutter! Hier waren junge Mädchen gefragt und eine Reife, die mithalten konnte. Wir waren körperlich so gefordert, dass ein klassisches Omamodel bald zusammengebrochen wäre. Ich aber hatte meinen Spaß, ich wurde gar nicht müde. Plötzlich standen Ellen und Armin vor mir und drucksten herum: »Sag mal, Eveline …« Ich ahnte schon, was kommen würde. »Ich bin fünfundsechzig«, sagte ich. Sie kriegten sich gar nicht mehr ein. »Ich hab noch nie eine Frau wie dich gesehen«, sagte Armin. »Und glaub mir, ich kenne sie alle.« Armin ist nicht nur Stylist, er ist auch Chefredakteur und Herausgeber des Magazins Tush . Für das Januarheft 2011 suchte er noch Models. »Hast du Lust mitzumachen?«
Ende 2010 rief Ted mich an: »Ich hab was für dich! Was Besseres könnte ich dir gar nicht bieten! Kennst du Michael Michalsky?« Den Namen hatte ich schon gehört, aber was er machte – keine Ahnung. »Eveline, das ist der Mann! Und ich hab dich ihm untergejubelt.« Michalsky plante eine Fashionshow im Roten Rathaus in Berlin. Gastgeber war der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, er hatte Diplomaten und andere politisch wichtige Leute eingeladen. Berlin machte gerade Furore als Modestadt und wollte ganz oben mitspielen, möglichst auf gleichem Rang wie Mailand und Paris. Seit dem Sommer 2007 gab es die Berlin Fashion Week zweimal im Jahr. In einem Showzelt zeigten die deutschen Designer ihre Kollektionen, gleichzeitig fanden Messen statt und jedes Jahr kamen neue hinzu. Das ganze Modevolk reiste an und feierte sich. Wowereit passte das natürlich gut ins Konzept von seinem »Berlin ist arm, aber sexy«. Und er hatte ja recht. Hunderte von jungen Modedesignern studierten in der Stadt und gründeten ihre eigenen Label, weil sie dort günstig leben konnten. Und bei der Fashion Week hofften sie, irgendwann auch ihre Entwürfe zeigen zu können.
Michalsky mischte 2010 längst im großen Stil mit. Er war Designmanager bei Levi’s Deutschland und Kreativdirektor bei Adidas gewesen und deshalb entsprechend erfahren. Außerdem hatte er Investoren, die Geld in sein Label steckten, und konnte von Anfang an auf den Putz hauen. 2007 hatte er seine erste eigene Kollektion im Roten Rathaus gezeigt, mittlerweile nannte er die Show Michalsky StyleNite und feierte nach dem Defilee mit über tausend Leuten bis in die Nacht im Tempodrom. Es war die größte Party der Fashion Week, alle wollten dabei sein. Und nun sollte ich auf dieser kleinen Diplomatenschau für ihn laufen. Kein Problem, dachte ich, und machte meinen Job so locker wie immer. Noch am selben Abend wurde ich für die StyleNite im Januar 2011 gebucht. Michalsky engagiert immer Vorzeigemodels wie Christina Kruse, Kristen McMenamy oder Toni Garrn, aber er mischt auch gern außergewöhnliche Leute unter die Truppe, zum Beispiel den androgynen Andrej Pejic, der mal als Frau läuft und mal als Mann. Oder Mario Galla, der eine Beinprothese trägt.
Ted sollte bei der Show das Defilee choreografieren. Seit Jahren hatte er das nicht mehr gemacht, es war auch für ihn ein besonderer Abend. Trotzdem wollte er mich dabeihaben, er kämpfte sogar dafür, denn seine Bookerinnen waren entsetzt. Ted jedoch ließ sich nicht beirren. »Dass sie fünfundsechzig ist, spielt keine Rolle«, sagte er. »Ich sehe etwas in dieser Frau.« Wenn Ted einen Schauspieler haben will, dann ist er wild entschlossen und setzt sich über alles hinweg. Solche Menschen habe ich in meinem Leben immer wieder getroffen. Die Ballettmeister und Regisseure, Miss Bluebell, die Professoren an der Uni, alle vertrauten mir und förderten mich, obwohl ich nicht der Norm entsprach. Und gerade in der Mode beweist es großen Mut, von der Norm abzuweichen. Mode ist jung. Dennoch hielt Ted zu mir. Er kannte mich
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