Ich Tarzan Du Jane Verfuehrung kann so einfach sein

gleich sagen können: „Das T-Shirt sieht toll aus. Nimm es. Das ist sogar preiswert. Und modisch. Und es steht dir un-glaub-lich gut. Du siehst aus wie Carrie aus Sex and the City, nur besser. Ich bin gleich wieder neu verliebt in dich, wenn du dieses T-Shirt kaufst. Du wirst es nirgends billiger als für diese superreduzierten 29 Euro bekommen. In dieser Qualität. Wahnsinn.“
    Sie dagegen hält es geringschätzig mit einer Hand hoch, streicht sich mit der anderen über den flachen Bauch wie um zu spüren, dass das kurze Shirtchen den süßen Nabel zeigen wird, und kneift ein Auge zu (Sie nimmt es, denken wir Männer, yep! Bereiten die La Ola vor.). Dann wirft sie noch einen Blick auf Wäsche- (Jedes T-Shirt wird erst einmal gewaschen – auch dieses, wirklich!) und Preisschild (29 Euro. Wirklich. Nimm es!), legt es wieder zusammen und zurück auf den Stapel und sagt wahrhaftig: „Na, mal schauen, vielleicht gibt’s ja bei GAP oder New Yorker was Besseres.“
    Ja. Vielleicht. Eigentlich erstaunlich, dass die beiden zusammen sind: Vielleicht hätte es an der nächsten Straßenecke oder der übernächsten einen noch besseren Mann gegeben. Und vielleicht wäre der auch noch günstiger und pflegeleichter gewesen. Jetzt beginnt die grausame Odyssee, das Schlingern durch die stürmischen Wogen des Einzelhandels. Rein ins eine Geschäft, T-Shirts kurz durchwühlen, auf andere Frauen spechten, vergleichen. Denen steht das? Jetzt jammern: „Also ICH kann so was ja nieeemals tragen.“ Männe muss zustimmen und gleichzeitig beteuern, dass seine Frau viel besser aussieht und eine viel bessere Figur hat und überhaupt viel JÜNGER aussieht. T-Shirt zusammenlegen, nee, das ist nix, nun das Geschäft drüben in der Dingsstraße, dann noch eben in das in der … Straße, die haben immer so tolle … hastenichgesehen. Und etwa zwei bis drei Stunden später folgt der strategische Rückzug in das erste Geschäft. Doch das erste T-Shirt kaufen. Für 29 Euro. So billig. Unfassbar. Einfach toll.
    Das hat ein echter Tarzan längst vorausgesehen. Kein Wunder: Tarzan musste immer schon in Sekundenbruchteilen fette Beute identifizieren und sofort zuschlagen. Sonst hätte Jane zu Hause im Baumhaus nix zum Brutzeln gehabt. Das hätte Ärger gegeben. Also stand der Urmann über Jahrtausende hinweg auf Bäumen, hielt Ausschau und entschied blitzschnell: „Das Mammut lohnt sich.“ Dieses Verhalten ist uns geblieben. Rein in den Laden, fix die Hosen abchecken, die zwei probieren, die infrage kommen. Eine nehmen, im Zweifelsfall dasselbe Exemplar dreimal. Zahlen. Raus. Dann ein Bier und Fernsehen. Vielleicht eine Runde Billard. Gucken, ob die anderen Kumpels schon fertig sind. Mit welch wirklich wichtigen Dingen sie auch beschäftigt sein mögen: grillen, EM-Videos nach Tor-Differenzen sortieren, Auto putzen – wenn Tarzans Freunde ihre Dinge geregelt haben, wird gemeinsam eine Runde geschwiegen.
    So ein Verhalten – über Jahrtausende geübt und verfeinert – legt Mann nicht so schnell ab, nur weil GAP Sonderangebote hat. Für Frauen dagegen – die sich eben jene Jahrtausende in unseren Höhlen oder Baumhäusern rumgedrückt haben nach dem Motto, „Da draußen ist’s mir zu anstrengend, ich hab vielleicht genug damit zu tun, deine Gören aufzuziehen, für die du im Übrigen nie Zeit hast“ – ja, für die Frauen, die sich jetzt im Schutz unserer Kreditkarten in die feindliche Außenwelt wagen, ist alles da draußen noch neu, spannend und aufregend. Kein Wunder, dass sie vergleichen wollen, probieren und testen. Wie die Bienen, die von jeder bunten Blume Nektar versuchen wollen, hüpfen sie von Geschäft zu Geschäft, von Laden zu Laden. Und kehren doch unweigerlich zum Ausgangspunkt zurück. Und der sind nicht etwa wir. Nein, das ist immer und immer wieder die erste Boutique.
    Da sind wir also wieder. Und so einfach, wie wir uns das gerade noch erträumt hatten, geht er dann doch nicht über die Bühne, der wohlüberlegte Kauf des 29-Euro-T-Shirts. Jane ist also wieder im Laden, den sie als allererstes besucht hat. Schade nur, dass in diesem Moment eine andere Frau das bewusste Shirt nimmt, das letzte seiner Art. Diese Schlampe, zischt deine Jane noch durch die Zähne. Sie – die Schlampe – fletscht die Zähne, drückt das Shirt an die Brust – gar nicht so übel übrigens – wie die Brut, die es zu schützen gilt. Und zischt im schlimmsten Fall ihrem hünenhaften Freund zu, dass sie soeben beleidigt worden sei. Von der da.