Ich, Tochter eines Yakuza (German Edition)
sich noch einen Schuss verpassen ließen. Nakauchi merkte, dass etwas mit mir nicht stimmte, kam zu mir und meinte: »Na komm, noch einen Schuss, Shoko. Da ist jede Menge von dem Zeug da.«
»Nein danke, ich gehe lieber nach Hause.«
»Willst du dich nicht erst ein bisschen hinlegen?«
»Danke, aber ich möchte wirklich nach Hause.«
»Na gut, aber komm mal wieder vorbei, okay? He, Shoko will nach Hause, ruf ihr ein Taxi.«
»Ist gut«, antwortete der Neue überraschend munter.
»Hier, nimm das für das Taxi«, sagte Nakauchi und schob mir ein paar Geldscheine zu. »Und ruf mich an, wenn du zu Hause angekommen bist.«
»Ja, mache ich«, flüsterte ich schwach.
Wenig später hörte ich unten vor dem Büro das Taxi hupen. Die anderen meinten, dass sie noch eine Weile bleiben wollten, aber ich wollte nur so schnell wie möglich verschwinden. Also verbeugte ich mich höflich, verabschiedete mich und ging.
Nachdem ich die schwere Stahltür des Büros aufgestoßen hatte, stieg ich ins Taxi ein. Ich versuchte, ganz ruhig zu bleiben, damit der Taxifahrer nichts merkte. Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, kamen wir zu Hause an.
Die Haustür stand wie immer offen und die Schuldeneintreiber brüllten so wie immer auch heute laut herum. Ich war wieder zurück in der Hölle. Das war keine Halluzination, das war die Wirklichkeit. Schnell lief ich zur nächsten Telefonzelle, so als wäre jemand hinter mir her.
»Hallo, hier ist Shoko. Ich bin wieder zu Hause.«
»Gut. Ah, warte kurz. Nakauchi-san will mit dir reden.«
»Hallo, Shoko! Du rufst ja wirklich an, brav. Was ist? Du atmest so schwer, geht es dir nicht gut?«
»Doch, doch … ich bin nur zur nächsten Telefonzelle gerannt, ich kann ja schlecht von zu Hause aus anrufen.«
Nakauchi lachte.
»Ich kann kaum glauben, dass du in deinem Zustand noch rennen kannst.«
»Vielen Dank für alles.«
»Schon gut, komm ruhig wieder vorbei, wenn du in der Gegend bist. Und wenn du nicht allein kommen willst, dann bring doch Mizue oder eine andere Freundin mit.«
»Klar, mach ich, also tschüss dann.«
Ich legte den Hörer auf und machte mich deprimiert auf den kurzen Heimweg.
Hinter der Haustür lag die Lieblingsvase meiner Mutter aus weißem Porzellan zusammen mit einem Regal auf dem Boden.
Ob mit oder ohne Speed, ich war in der Hölle, so oder so.
Ich fühlte mich vollkommen kraftlos, stellte meine Schuhe ordentlich in den Flur, richtete das kleine Regal wieder auf und sammelte die Scherben der Vase ein. Ich seufzte tief.
Um vor meiner alltäglichen realen Hölle zu fliehen, hatte ich an diesem Tag den ersten Schritt in die Drogenhölle getan. Seit diesem Tag konnte ich meinem Vater, wenn er ab und zu nach Hause kam, nicht mehr in die Augen sehen.
In diesem kalten Winter wurde ich 17 und die Schikanen der Schuldeneintreiber wurden immer schlimmer. Um mich abzulenken beschloss ich, gemeinsam mit Mizue Nakauchi in seiner Wohnung zu besuchen.
Mizue klingelte an der Tür.
»Ja, wer ist da?«
»Hallo, ich bin’s, Mizue.«
»Ah gut, ich habe schon auf dich gewartet.« Nakauchi kam im Sweatshirt aus seiner Wohnung und bedeutete uns mit seinem Kinn, doch einzutreten.
»Vielen Dank«, sagten wir gleichzeitig. Mizue war anscheinend schon öfter hier gewesen, denn sie ging ohne zu zögern in das Zimmer, das hinter dem Wohnzimmer lag, und setzte sich auf das Korbsofa am Fenster.
»Shoko, willst du ein bisschen Speed?«
»Wenn das ginge.«
»Klar, deswegen sind wir doch hier.«
Wir flüsterten, aber Nakauchi meinte nur lachend: »Ist gut, Shoko, du kannst wirklich was haben. Mizue ist fast schon Stammkundin.«
Bei den Worten stand Mizue vom Sofa auf und holte schnell ein Glas Wasser aus der Küche. Sie hatte es offenbar eilig. Ich bekam meinen Schuss nach ihr.
Seitdem dröhnten wir uns immer wieder alle drei mit Speed zu. Mir war zwar nicht bekannt, dass Nakauchi und Mizue als Paar galten, aber anscheinend lief da etwas zwischen ihnen, deshalb blieb ich meistens nicht so lange, nachdem ich meine Drogenportion abbekommen hatte.
Eines Tages – wir waren wieder voller Drogen – meinte Nakauchi, dass er kurz weg müsse. Kurz darauf sagte Mizue das Gleiche. »Aber Nakauchi-san kommt bestimmt gleich zurück. Warte einfach hier auf mich, bis ich wieder da bin«, murmelte sie, während sie sich im Flur die Schuhe anzog.
»Brauchst du lange?«
»Ich weiß nicht, aber du kannst ja ein paar Videospiele spielen. Wart einfach auf mich.«
»Gut, bis später
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