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Ich, Tochter eines Yakuza (German Edition)

Ich, Tochter eines Yakuza (German Edition)

Titel: Ich, Tochter eines Yakuza (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shoko Tendo
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an.
    »Ja, mein Sohn hat mir das Geld gebracht, als er gestern hier war. Ich muss es verloren haben, als ich mir am Automaten einen Saft gekauft habe. Noch mal vielen Dank.«
    »Ich will Ihr Geld wirklich nicht. Werden Sie einfach schnell gesund.«
    »Doch, doch, bitte sei so nett und nimm es.«
    »Nein wirklich nicht, vielen Dank.«
    »Schon gut, werden Sie nur rasch wieder gesund«, half mir mein Vater.
    »Na gut, Sie haben wirklich eine brave Tochter. Ich wünsche Ihnen auch gute Besserung.«
    Der nette Herr verbeugte sich tief vor mir und verließ dann mit der Krankenschwester die Cafeteria. Seine Worte hatten mich gleichzeitig gefreut und beschämt. Ich war damals fast 16 und wusste ganz genau, dass ich meilenweit davon entfernt war, eine »brave Tochter« zu sein.
    An diesem Abend redete ich lange mit meinem Vater.
    »Papa, ich habe der Krankenschwester doch gar nicht gesagt, wie ich heiße. Woher wusste sie, dass ich es bin?«
    »Nun, weil außer dir sonst niemand so aufgetakelt ist wie eine ganze Clownsparade, das ist doch wohl klar.«
    »Ah ja, alles klar.«
    »Ist ja egal, warum hast du das Geld eigentlich abgegeben?«
    »Zuerst wollte ich es ja behalten, aber dann dachte ich mir, dass der Besitzer, wenn er auch im Krankenhaus liegt so wie du, sicher ganz hilflos und verzweifelt ist. Und so war es ja auch, deshalb bin ich froh, dass ich es zurückgegeben habe.«
    »So war das also. Ja, das hast du gut gemacht.«
    Er lächelte froh und strich mit seiner großen Hand über meinen Kopf. Wann hatte ich ihn das letzte Mal so lächeln sehen? Und wann hatte mich das letzte Mal jemand gelobt und mir über das Haar gestreichelt? Hatte ich überhaupt irgendwann längere Zeit in Ruhe mit ihm geredet, seitdem ich ein Yankee geworden war?
    Durch das Fenster des Krankenzimmers konnte ich die Sterne sehen, die hell und klar am Himmel standen. Es war fast so wie früher, als ich noch klein war. Da sind wir oft mit der ganzen Familie zu Vaters Freunden nach Nara gefahren. Wenn wir dann in den Himmel sahen und eine Sternschnuppe entdeckten, haben wir dreimal schnell einen Wunsch gedacht, ehe sie verschwand. In der Nähe war ein kleiner Fluss, in dem Wasserpflanzen sanft hin und her wogten, und in Sommernächten tanzten die Glühwürmchen durch die warme Luft. Ich musste nur an den Bach zurückdenken, um mich wieder zu fühlen wie damals.
    Aber mit der Zeit war das Murmeln des Baches verstummt, und es war, als seien die Glühwürmchen ausgestorben. Die Gedanken meines Vaters waren nach Osten geflossen und meine nach Westen. Selbst das Wasser des Bachs war ausgetrocknet und das Flussbett hatte Risse bekommen.
    Doch plötzlich strömte, wie durch Zauberhand, dank der Liebe meines Vaters wieder Wasser in das Flussbett. Gedanken, die in verschiedene Richtungen getrieben waren, kreuzten sich plötzlich und flossen gemeinsam ins Meer.
    Endlich hatte ich meinen Vater wieder und er seine Tochter …
    An diesem Abend war ich sehr glücklich.
    Leider verschwand dieses Glücksgefühl so schnell wie eine Sternschnuppe.
    Einer von Vaters Freunden, für den Vater gebürgt hatte, hatte einen Haufen Schulden gemacht und war schließlich bei Nacht und Nebel verschwunden. Trotz der horrenden Schulden versuchten wir, Vaters Firmen irgendwie zu erhalten, aber es wurde immer schlimmer. Irgendwann gab es keine andere Möglichkeit mehr, als von einigen illegalen Geldverleihern Geld zu borgen. Ohne wirkliche Aussicht auf Gewinn taten wir alles, um die Firmen wenigstens halbwegs über Wasser zu halten – ein echter Fahrrad-Deal 19
› Hinweis
, wie es in Japan heißt. Unsere eigenen Schulden stiegen damit noch weiter an und die Firmen gerieten vollends außer Kontrolle. Es war einfach unmöglich, die Geschäfte ohne meinen Vater zu führen, aber er war immer noch im Krankenhaus und durfte nur ein- oder zweimal im Monat für einige Stunden nach Hause.
    Fahrrad-Deal: Dabei strampelt man sich ab, um die Firma am Laufen zu halten und gleichzeitig die Schulden zu bezahlen, für die alle zehn Tage absurde Zinsen in Höhe von 10 bis 50 Prozent fällig werden. Hört man auf zu strampeln, fällt man um, wie mit einem Fahrrad.
    Vor einiger Zeit war er schon bei der Yakuza ausgestiegen, vermutlich hatte er einfach nicht mehr die Kraft, das Geld und die Energie, um so weiterzumachen wie bisher.
    Für unsere Familie waren die Schulden die Hölle. Wegen der aberwitzigen Zinsen von 10 und dann 50 Prozent, die alle zehn Tage fällig waren, verfolgten uns die

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