Ich, Tochter eines Yakuza (German Edition)
Geldverleiher. Die Methoden der Kredithaie waren nicht sehr angenehm. Als es einmal so heiß war, dass der Asphalt in der Sommersonne schon fast Blasen warf, entfernten sie alle Klimaanlagen aus unserem Haus und stapelten sie zusammen mit anderen Haushaltsgeräten in der Garage. Die ganze Nachbarschaft war somit im Bilde.
Unser großer amerikanischer Kühlschrank lag umgekippt am Boden, die Tür stand offen und man konnte die leeren weißen Gitter sehen. Da sie die Klimaanlagen mit Gewalt von den Wänden gerissen hatten, klafften in den Mauern jetzt große Löcher, so wie in meinem Herzen. Als ich auf den Boden sah, flimmerte das Parkett in der Hitze. Jeden Tag öffneten sie alle Fenster und Türen und brüllten auf uns ein. Ich wusste, dass wir nichts dagegen tun konnten, ganz gleich, wie oft sie das wiederholten. Aber ich konnte es nicht ertragen, dass sie meine Mutter beleidigten.
»Was glaubt ihr eigentlich, mit wem ihr es hier zu tun habt? Wenn ihr weiter so über meine Eltern redet, dann könnt ihr was erleben«, schrie ich und hämmerte mit der Faust auf den Küchentisch. Doch der Schuldeneintreiber brüllte nur: »Du kleines Dreckstück«, und spuckte dabei aus.
So fühlte es sich also an, kein Geld zu haben. Schrecklich.
Vor Wut hätte ich am liebsten geheult.
Und die Hölle ging weiter. Der Winter kam und die einzige Heizung im Haus war ein Kotatsu 20
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in meinem Zimmer. Die Kredithaie rissen immer noch als Mahnung Fenster und Türen auf, was den eisigen Wind von draußen hereinließ. Meine kleine Schwester Na-chan klammerte sich ängstlich an mich, wenn die Schuldeneintreiber ihre Drohungen brüllten.
Kotatsu: ein niedriger Tisch mit einem Heizelement, über den eine Steppdecke gebreitet wird. Darunter wärmt sich meist die ganze Familie. Sinnbild japanischer Gemütlichkeit.
»Ich habe solche Angst … so furchtbare Angst …«
»Die gehen sicher bald wieder, keine Sorge. Komm wir kuscheln uns zusammen.«
Dann rollten wir uns wie die Katzen unter dem Kotatsu zusammen. »Haut endlich ab!« Wir hofften es so sehr und hielten uns die Ohren mit beiden Händen zu. Na-chan biss die Zähne zusammen und zitterte schrecklich. Für mich war es wie ein Zeitsprung zurück in die Grundschulzeit. Auch damals war Na-chan immer zu mir gekommen, war unter meine Decke gekrabbelt und hatte sich an mich geklammert, weil sie solche Angst vor unserem Vater hatte, der unten alles kaputt schlug. Es war wie jetzt. Aber ich konnte ihr nicht mehr mit der gleichen Überzeugung wie früher sagen, dass sie keine Angst haben solle und dass alles gut werden würde. Ich hatte keine Ahnung, ob es jemals wieder gut werden würde. Ich war nur wütend auf mich selbst und fühlte mich elend, weil es nichts gab, was ich tun konnte.
Während einer der seltenen Aufenthalte zu Hause kam mein Vater einmal zu mir und sagte traurig: »Shoko, das ist alles meine Schuld. Ihr habt so ein schweres Leben, weil ich diese Schulden aufgenommen habe … Ich weiß, dass es furchtbar für euch ist, aber ihr müsst durchhalten …«
»Ich weiß, Papa. Ich weiß …«
Mir war bewusst, wie sehr auch er unter der ganzen Situation litt. Als es seinen Firmen noch blendend ging, hatten wir immer viel Besuch. Aber jetzt kamen nur noch einige wenige, die Vater wirklich mochten. Auf allen unseren Möbeln klebte ein rotes Blatt 21
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, und dann verschwanden sie. Es gab kein Leben mehr im Haus, es wirkte eher wie die Kulisse für eine Seifenoper. Vater sprach nur wenig. Und ich bin eine Frau, darum habe ich keine Ahnung von der Yakuza, aber mein Vater wollte auf jeden Fall bis zum Ende ein Ehrenmann bleiben. Deshalb trennte er sich ohne lange zu zögern von der Yakuza, nachdem er die Schulden aufgenommen hatte. Schließlich würde er dem Ruf aller Yakuzas schaden, wenn er nicht mehr mit Geld angeben konnte und womöglich so von einem anderen in die Enge getrieben wurde. Ein Yakuza musste stark sein, um einer zu bleiben. Vielleicht hätte er seine Position als Boss nutzen können, um die Kredithaie um ihr Geld zu prellen. Mein Vater hätte sich für ein solches Verhalten allerdings zutiefst geschämt. Ich verstand seine Beweggründe gut, doch tat es mir weh zu sehen, wie die einst so eindrucksvolle Tätowierung auf seinem Rücken jegliche Bedeutung verlor.
Rotes Blatt: vergleichbar mit dem Kuckuck eines Gerichtsvollziehers.
All das geschah, kurz bevor ich 17 wurde.
Während die Situation zu Hause so weiterlief, wurde ein Freund von
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