Ich, Tochter eines Yakuza (German Edition)
Anblick sorgte dafür, dass sich mein Magen verkrampfte und meine Handflächen schwitzig wurden.
Ich muss damit aufhören … aber ich will einen Schuss … will unbedingt einen Schuss.
»Ne, der rechte Arm geht nicht, gib mir deinen linken. Und schön festhalten.«
Er wartete, bis das Blut in die Spritze schoss und versenkte dann die ganze Ladung in meinem Arm. Mein Blut brodelte durch meinen ganzen Körper und gierte nach Maejima.
»Na, wie fühlt sich das an, Shoko?«
Seine Stimme klang, als schwänge ein leichtes Echo hinterher …
»Du hältst es doch kaum noch aus, du willst mich doch, oder?«
Ich fackelte nicht lange und warf mich auf ihn, noch bevor er zu Ende gesprochen hatte.
»Und, was willst du jetzt?«
»Fick mich!«
»Wie bitte? Sag das noch mal.«
»Fick mich – bitte!«
»Das hättest du doch gleich sagen können. Kaum hast du einen Schuss Speed drin, dann wirfst du dich mir doch eh an den Hals.«
»Ja.«
»Von wegen, du willst dich trennen und all der Mist.«
Ich musste schon stöhnen, als er mich nur an sich drückte.
»Komm schon, Shoko, du brauchst mich einfach.«
Es tat weh, diese Worte ausgerechnet von dem Mann zu hören, der meinen Vater so hinterging.
Die Außenseiterin, die in der Schule gequält wurde, das unschuldige Mädchen, das von Mizuguchi beinahe vergewaltigt worden war, die pflichtbewusste Tochter, die zusammen mit ihrer Mutter die Verwüstungen aufräumte, die mein Vater angerichtet hatte, das kleine Mädchen, das genau auf den Gesichtsausdruck seines Vaters achtete, um zu erkennen, wann er wieder ausrasten würde – das alles war nicht ich. Ich dachte an die Ereignisse meiner Kindheit zurück, so als hätte sie jemand anderer erlebt. So war es leichter zu ertragen. Mittlerweile hatte ich so viele andere Ichs geschaffen, dass ich irgendwann nicht mehr wusste, wer ich wirklich war, was mein wahres Ich war. Ich konnte Geist und Körper total trennen und mich völlig in der Geilheit verlieren, die der Stoff und Maejima mir gaben – dabei konnte ich alles vergessen. Doch immer wenn der Rausch vorbei war und die Treffen mit Maejima zu Ende gingen, fühlte ich mich leer und gefühllos und hatte Schuldgefühle wegen Shin.
»Ich will das alles nicht mehr.«
»Ach komm, ist doch nur eine Frage der Zeit, bis das mit dem Typen auseinandergeht. So eine wie dich kann der doch nicht befriedigen«, lachte Maejima.
Nur eine Frage der Zeit … Ich musste unbedingt sofort zu ihm und ich musste ihn häufiger sehen.
Endlich kam Shin nach langer Zeit wieder einmal zu mir in die Wohnung. Er merkte sofort, dass etwas mit mir nicht stimmte.
»Shoko, zeig mir deinen Arm«, befahl er, griff nach meinem Arm und krempelte den Ärmel hoch. Der magere Arm darunter war voller Einstiche.
»Du hast Speed genommen, oder? Sag doch was!«
Shin war normalerweise immer die Ruhe selbst, doch an diesem Tag erlebte ich ihn zum ersten Mal richtig wütend. Ich wusste nicht, was ich antworten sollte.
»Alles, aber kein Speed!«
»Ich möchte ja aufhören, aber ich schaffe es nicht. Du musst mir helfen, bitte.«
Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen, und er umarmte mich ganz sanft.
»Du hast noch einen anderen, oder? Ich habe kein Recht, es dir zu verbieten. Aber das hier darfst du nie wieder tun. Versprich mir, dass du nie wieder Drogen nimmst.«
»Verzeih mir.«
»Ich liebe dich, Shoko. Ich liebe dich wirklich«, murmelte er, und seine Worte waren Balsam für mein gequältes Herz.
»Ich mache mir immer solche Sorgen um dich. Ich möchte ja länger bei dir bleiben, aber es geht eben nicht. Das verstehst du doch, oder?«
Ich nickte zögernd. Natürlich verstand ich ihn, aber es tat auch so weh. Nie war er da, wenn ich ihn brauchte. In einer Beziehung, für die es völlig normal war, dass man sich mehr als zwei Wochen nicht sah, entstand zu viel Leere. Wenn ich auf ihn wartete, zog sich die Zeit endlos dahin, und wenn ich mit ihm zusammen war, verging sie viel zu schnell.
Am liebsten hätte ich seine Hand nie losgelassen, um zu verhindern, dass er wieder verschwand. Warum konnte die Zeit nicht einfach stehen bleiben? Ich war doch schon glücklich, wenn er nur meinen Namen aussprach und mich in seinen Armen hielt.
Wenn ich allein war, war die Stadt für mich nur grau. War er bei mir, war alles voller frischer Farben. Im Frühling schwebten die Kirschblüten auf einer sanften Brise und tanzten durch die Luft. Im Sommer klangen die Windglöckchen so wie damals, als ich klein war
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