Ich, Tochter eines Yakuza (German Edition)
entzündet hatte, verschwamm vor meinen Augen und erinnerte mich an Glühwürmchen, die im Wind tanzten. Alles, was mir meine Eltern hinterlassen hatten, waren Erinnerungen, aber die waren mir wichtiger als alles andere auf der Welt. Um ihnen eine gute Tochter zu sein, war es jetzt zu spät, diese Grabstätte war das einzig Gute, was ich noch für sie tun konnte. So konnte ich ihnen nahe sein, und sie würden nie getrennt werden. Und vielleicht fand Papa hier endlich die Ruhe, um meinen Brief zu lesen, den ich ihm in den Sarg gelegt hatte.
Papa,
ich hatte dich immer lieb, seit ich ein kleines Mädchen war. Aber jedes Mal, wenn dich eine Hostess betrunken nach Hause brachte, hatte ich Angst, dass sie dich uns wegnehmen würde und du nie wiederkämst. Und ich war überzeugt, dass auch Mama uns verlassen würde, wenn du gingest. Das wollte ich natürlich nicht, und ich wollte dich auch nie wütend machen. Deshalb habe ich immer sehr genau auf deine Launen geachtet, denn ich wollte dich nicht verlieren.
Dann mussten wir unser Zuhause aufgeben und alles andere. Und ich konnte Mamas Traum, ein Haus zu kaufen, in dem wir alle zusammen leben würden, nicht erfüllen. Ich konnte nicht einmal das Versprechen halten, mit Takamitsu zusammenzubleiben. Es tut mir wirklich leid, dass ich euch so viel Kummer gemacht habe. Bitte verzeih mir. Ich lege den Glücksbringer bei, den du mir vor langer Zeit geschenkt hast. Er ist mein größter Schatz und deshalb soll er jetzt dir gehören. Ich hoffe, dass Mama und du vom Himmel aus weiterhin auf mich aufpasst.
Shoko
An meinem 33. Geburtstag bekam ich ein Päckchen von Maki. Ich löste das gekräuselte Geschenkband und faltete das orangefarbene Papier auseinander. Ein beiger Kaschmirschal, eine Karte und ein Brief von Papa kamen zum Vorschein. Diesen Brief hatte Papa, kurz bevor er gestorben war, Maki mit den Worten anvertraut: »Gib ihn Shoko, sobald sie zur Ruhe gekommen ist.«
Liebe Shoko,
du bist immer so ein liebes Mädchen gewesen, schon als Kind hast du dich stets gut um unsere Tiere gekümmert. Wenn ich an dein gutes Herz denke, könnte ich weinen. Eigentlich wollte ich Takamitsu noch einmal sagen, dass er gut auf dich aufpassen soll, doch ich glaube, dass ich dazu keine Zeit mehr habe. Ich denke, du bist immer noch so gutherzig wie damals als kleines Mädchen. Nur um deine Gesundheit mache ich mir Sorgen. Bitte arbeite nicht zu viel. Und als Letztes noch dies: Bitte hör nie auf, an dich zu glauben!
Dein Vater
Es war, als hätte mir mein Vater vom Himmel aus eine Antwort geschickt, und das machte mich sehr glücklich. Endlich verstand ich auch, dass ich die Männer, in die ich mich verliebt hatte, stets mit meinem Vater verglichen hatte.
Nachdem ich den Brief gelesen hatte, faltete ich ihn ordentlich zusammen und steckte ihn wieder in den Umschlag. Dann beschloss ich, meine Arbeit als Hostess zu kündigen.
»Ich möchte am Ende des nächsten Monats aufhören«, teilte ich Mama-san mit und sie war einverstanden.
Ich legte mich noch einmal richtig ins Zeug, denn die Nummer eins lag nur ganz knapp vor mir. Damals war ein Rechtsanwalt mein bester Kunde, der im Club sehr viel Geld ausgab und so dafür sorgte, dass ich einen guten Umsatz erzielte.
Als die Kirschbäume ihre Blüten verloren, kam mein letzter Arbeitstag und mit ihm viele nostalgische Erinnerungen. Da alle seit einem Monat Bescheid wussten, kamen meine Stammkunden in die Bar, und wer nicht selbst kommen konnte, schickte einen Blumenstrauß. Weil ich mein Gehalt erst am Zehnten des nächsten Monats erhalten würde, wusste ich nicht, wie gut ich mich geschlagen hatte. Aber da ich so hart wie möglich gearbeitet hatte, musste ich mir auf jeden Fall nichts vorwerfen.
Bevor ich den Club verließ, besah ich mir jeden Strauß ganz genau und las die dazugehörigen Karten durch. Es gab viele liebe Worte, die mich wirklich sehr glücklich machten. Auch Takamitsu hatte mir einen Strauß mit Karte geschickt. »Ich bin stolz auf dich und hoffe, dass du in aller Ruhe das findest, was du wirklich machen willst.«
Sein Blumenstrauß war der einzige, den ich mit nach Hause nahm.
»Behaltet doch bitte die Blumen im Club, ich nehme nur die Karten mit.«
»Gut, aber bist du dir sicher, dass du nicht alle mitnehmen möchtest?«
»Ja, einer reicht mir, danke.«
»Schon klar, sonst wird das Taxi ja zum Blumenlieferanten«, meinte einer der Jungs, und alle lachten laut.
»Ich danke euch für alles. Die Zeit mit euch war
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