Ich, Tochter eines Yakuza (German Edition)
Werbung für mich und arbeitete mit noch mehr Energie. Als ich dann 30 wurde, eröffnete ich sogar zum ersten Mal in meinem Leben ein Sparkonto, weil es etwas gab, das ich unbedingt haben wollte. Takamitsu sah ich kaum mehr, da ich die meiste Zeit arbeitete.
In dieser Zeit erhielt ich einen Brief von meinem Bruder mit einem Foto. Er war von seiner Firma ins Ausland versetzt worden, hatte dort eine Frau kennengelernt, die ein Jahr jünger war als ich, und diese nun geheiratet. Auf dem Foto waren die beiden glücklich lächelnd zu sehen, und ihr Gesichtsausdruck erinnerte mich ein bisschen an Mama. Aus dem Brief ging deutlich hervor, wie gut es meinem Bruder ging, und das freute mich wirklich sehr für ihn.
Als ich den Brief auf dem kleinen Altar abstellte, auf dem auch Fotos meiner Eltern standen, hatte ich das Gefühl, dass sie ebenfalls zufrieden lächelten.
»Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Shoko-chan!«
Die Mama-san des Clubs, in dem ich arbeitete, schenkte mir zum 31. Geburtstag ein Kleid. Sie hatte natürlich längst bemerkt, dass ich sogar im Sommer nur langärmelige Kleidung trug, und wahrscheinlich vermutet, dass ich tätowiert war, obwohl ich ihr nichts erzählt hatte. Auf jeden Fall suchte sie ein Kleid mit langen Ärmeln in einer knalligen Farbe für mich aus.
»Du wirst bald die Nummer eins, wirst schon sehen«, sagte sie mit einem freundlichen Lächeln, als wir aus der Boutique kamen. Aber ich war nicht die Einzige, die sich anstrengte.
Maki war in ihrer Bar in kürzester Zeit zur Nummer eins aufgestiegen. Sie hatte gelernt, sich nicht mehr auf Männer zu verlassen, und war enorm willensstark. Wenn die anderen Hostessen, die schon länger in der Bar arbeiteten, über sie lästerten, dann spornte sie das nur zu noch mehr Anstrengung an.
Irgendwann fragte ich sie, ob sie nicht wieder einen Freund haben wolle, aber sie meinte nur: »Es ist nicht so einfach, einen guten Mann zu finden. Aber was ist mit dir, Shoko?«
»Ich habe keine Zeit für so was, ich muss mich auf die Arbeit konzentrieren.«
»Sag mal ehrlich, du liebst Taka immer noch, oder?«
»Maki-chan!«
»Es tut mir unendlich leid, Shoko. Wenn ich mich früher von Icchan hätte scheiden lassen und wir euch nicht so auf der Tasche gelegen hätten, dann …«
»Nein, das hat mit dir nichts zu tun. Es lag an mir …«
»Aber wir beide werden glücklich werden, stimmt’s?«
»Ja bestimmt.«
»Shoko, mein nächster Mann wird ganz toll sein.«
Ich erwiderte lachend: »Das wird aber auch Zeit.«
»Da redet die Richtige. Wer hat denn diese fette Tätowierung am Körper?«
»Ich dachte, wir wollten nicht mehr darüber sprechen?«
»Ich mache mir eben immer Sorgen um meine kleine Schwester, ganz egal, wie alt du bist. Sonst haben wir ja auch niemanden mehr.«
»Ach, Maki-chan …«
»Meinst du wirklich Shoko, dass du dich in der Sache mit Taka richtig entschieden hast?«
»Ja.«
»Weißt du, Shoko, mach dir keine Gedanken wegen der Tätowierung. Wenn sich ein Mann davon abschrecken lässt, dann ist er es sowieso nicht wert.«
»Danke.«
Maki hörte sich endlich wieder an wie meine große Schwester.
»Bis bald!«, rief sie noch, bevor sie wild winkend den Zug verließ. Ich aber setzte meine Kopfhörer auf, schloss die Augen und ließ mich vom Rhythmus des Liebeslieds Automatic von Hikaru Utada und den Bewegungen der Bahn hin und her schaukeln.
Als ich 32 wurde, hatte ich schon eine Menge gespart. Ich suchte nach einem Grab für die Asche meiner Eltern in der Nähe meiner Wohnung und war überrascht, wie teuer so eine Grabstelle war. Endlich fand ich über das Internet etwas Passendes, aber mein Geld reichte noch lange nicht dafür. Doch ich gab nicht auf und war überzeugt, dass ich eines Tages eine Grabstelle in meiner Nähe finden würde.
Eines Tages rief Na-chan an. »Kann ich morgen zu dir kommen?«
»Klar, was ist denn los?«
»Mein Freund und ich möchten heiraten und er würde dich gern um deinen Segen bitten. Ich finde ja, dass wir das Ganze nicht so förmlich angehen müssen, weil Mama und Papa tot sind. Aber er möchte es unbedingt.«
Schon allein deshalb war mir der junge Mann gleich sympathisch. Er schien gute Manieren zu haben, hieß Yamamoto, war Grafikdesigner und zwei Jahre älter als Na-chan.
Als ich ihn dann kennenlernte, war er wie erwartet zurückhaltend und freundlich. Er verbeugte sich vor dem Altar mit dem Bild meiner Eltern, die von ihrem Foto herablächelten, und erzählte ihnen von der
Weitere Kostenlose Bücher