Ich, Tochter eines Yakuza (German Edition)
Verlobung.
Die beiden trugen Ringe an ihren Händen und wirkten auf mich sehr glücklich. Da Yamamoto wusste, dass wir uns lange nicht gesehen hatten, klappte er nach dem Abendessen seinen Laptop auf, um ein bisschen zu arbeiten. So hatten Na-chan und ich genügend Zeit, uns in aller Ruhe zu unterhalten.
Vor dem Schlafengehen zündete er am Altar Räucherstäbchen an und verbeugte sich. Diesem Mann konnte ich Na-chan wirklich anvertrauen.
Als Natsuki und Yamamoto am nächsten Morgen aufbrachen, meinte er zum Abschied: »Vielen Dank, dass wir kommen durften. Und besuch uns doch einmal in Hiroshima.«
»Gerne. Und pass gut auf Na-chan auf.«
»Versprochen!«
»Und du, Shoko, pass auch auf dich auf, damit du nicht krank wirst.«
Kaum zu glauben, dass sich meine kleine Schwester allen Ernstes Sorgen um mich machte. Na-chan war wirklich längst erwachsen geworden, nur war es mir bisher nicht aufgefallen. Doch jetzt fiel mir ein Stein vom Herzen.
Nachdem sie weg waren, nickte ich kurz auf dem Sofa ein –schließlich hatte ich an diesem Tag frei –, bis draußen vor dem Haus jemand hupte. Ich stand auf, sah aus dem Fenster und entdeckte auf der Straße eine schwarze Limousine, die ich nicht kannte. Als ich mich gerade abwenden wollte, rief plötzlich jemand: »Hallo, Shoko!«
»Taka?«
»Komm mal kurz runter!«
Ich rannte die Treppe herunter.
»Ich bin spät dran, aber trotzdem herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!«
Takamitsu drückte mir einen Umschlag in die Hand, in dem sich 500 000 Yen (etwa 4600 Euro) befanden.
»Das ist für die Grabstelle.«
»Woher weißt du das?«
»Na ja, das war nicht wirklich schwer zu erraten.«
»Ich weiß nicht, ob ich das annehmen kann.«
»Das ist das Einzige, was mir eingefallen ist, um dir eine Freude zu machen.«
»Aber du hast doch jetzt eine Freundin, ich …«
»Ich würde mich freuen, wenn du es annimmst. Ich habe dich nie richtig glücklich gemacht, obwohl ich es deinem Vater versprochen hatte.«
»So ein Unsinn, du hast genug für mich getan.«
»Shoko, dein Vater war auch für mich wie ein Vater. Sag jetzt nichts mehr und nimm es einfach, bitte.«
»Vielen Dank.«
»Und arbeite nicht zu viel.«
»Ist gut.«
»Und pass auf, dass du dich nicht in irgendeinen Mist-kerl verliebst«, ermahnte mich Takamitsu mit einem leisen Lächeln.
»So schnell, wie ich mich verliebe, kann das schon passieren. Aber im Ernst, das wird nicht vorkommen«, antwortete ich grinsend.
»Versprochen?«
Ich sah ihm fest in die Augen und nickte, genau wie damals, als er mir den Heiratsantrag gemacht hatte. Takamitsu hatte mir nie gesagt, dass er mich liebte, aber er war immer für mich da gewesen. Und nun, da er wieder angefangen hatte, sein eigenes Leben zu führen, gab es kein Zurück mehr für uns. Auch ich musste in die Zukunft schauen und endlich meinen eigenen Weg finden.
Da auch mein Bruder Daiki etwas Geld beisteuerte, konnte ich endlich eine Grabstelle kaufen, die sich ganz in der Nähe des Tempels befand, wo auch der Samurai Toyama no Kin-san 44
› Hinweis
lag. Papa hatte die Fernsehserien über Kin-san geliebt, also nahmen wir an, dass er sich darüber freuen würde. Und wenn Papa glücklich war, dann würde es Mama auch sein.
Toyama no Kin-san: Samurai und Richter in der Edo-Zeit (1603–1869), wirklich berühmt wurde er wohl durch die Verfilmung seiner Taten in japanischen Samurai-Serien. Er kämpfte für die kleinen Leute und das Gute und hatte eine Kirschblüten-Tätowierung.
Die Tage wurden schon langsam kürzer, als wir endlich die Überreste meiner Eltern in der Grabstätte zur Ruhe betteten. Am Abendhimmel strahlten die dicken Smog-Wolken über Tokio in einem kräftigen Pink. Das erinnerte mich an den Kirschbaum in unserem alten Garten, und auf einmal hatte ich das Bild meiner Mutter vor Augen, wie sie liebevoll und sanft lächelte. Ich schloss die Augen und atmete tief ein. Dann tauchte ich aus meinen nostalgischen Erinnerungen wieder auf.
»Shoko-chan, kommst du?«
Mamas Hände waren immer warm gewesen, wenn ich neben ihr herlief und meine Hand in ihrer versenkt hatte. Ich hoffte, dass meine Eltern sich hier wohlfühlen würden, wenn sie nun nebeneinander ruhen konnten.
Seit dem Tod meiner Mutter waren neun Jahre vergangen und drei seit dem Tod meines Vaters. Ich dachte zurück an mein bisheriges Leben und daran, welche Rolle meine Eltern darin gespielt hatten. Tränen stiegen in mir hoch und die Flamme der Kerze, die ich an der Grabstätte
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