Ich Töte
förderte. Noch fehlte ihm die notwendige Erfahrung, doch er war ein exzellenter Testpilot und verfügte über Biss und Wagemut für zwei.
Nicht umsonst hatten die Verantwortlichen im Rennzirkus ein Auge auf ihn geworfen, seit er in der Formel 3 fuhr, bis dann Ferguson alle ausgestochen und ihn für zwei Jahre unter Vertrag genommen hatte.
Auch Shatz hatte sich ziemlich abgestrampelt, um sein Manager zu werden. So waren nun mal die Regeln in der Formel l, jenem kleinen Universum, in dem die Sonne mit unerbittlicher Geschwindigkeit auf- und wieder unterging. Unvermittelt änderte Roland am Telefon seinen Ton, und in seiner Stimme schwang jene Freundschaft mit, die er für Jochen weit über die bloße Arbeitsbeziehung hinaus empfand. Es war fast, als verkörpere er den guten und den bösen Bullen in einer Person.
»Jochen, es gibt wirklich Schwierigkeiten. Nächste Woche sind private Testläufe in Silverstone angesetzt, mit Williams und Jordan.
Wenn ich richtig verstanden habe, bist du nicht eingeladen. Sie möchten lieber, dass Malot und Barendson die neue Aufhängung testen. Du weißt, was das bedeutet, oder?«
Sicher wusste er das. Er war zu lange im Rennzirkus, um das nicht zu wissen. Wenn ein Fahrer nicht mehr auf den aktuellsten technischen Stand des Teams gebracht wurde, dann wollten die Verantwortlichen mehr als wahrscheinlich verhindern, dass er wertvolle Informationen mit in eine andere Mannschaft trug. Was bedeutete, keine Vertragsverlängerung.
»Was soll ich dazu sagen, Roland?«
»Nichts, ich erwarte nicht, dass du irgendetwas dazu sagst. Ich wünschte mir nur, dass du, wenn du fährst, dein Hirn und deinen Fuß so einsetzt, wie du das bisher immer getan hast.«
Er machte eine kaum wahrnehmbare Pause.
»Du bist mit der da zusammen, nicht wahr?«
Jochen musste wider Willen lächeln.
Roland konnte Arijane nicht leiden, in ihren Gesprächen hatte sie nicht einmal einen Namen, sondern war einfach nur »die da«. Andererseits konnte kein Manager eine Frau leiden, die er für die Ver35
weichlichung eines seiner Piloten verantwortlich machte. Er hatte Dutzende von Frauen vor ihr gehabt, und Shatz hatte sie als genau das eingeschätzt, was sie waren, unvermeidliche Anhängsel eines Mannes, der wie er im Rampenlicht stand, kleine schöne Monde, die das strahlende Licht der Sonne des Champions reflektierten. Seltsamerweise hatte er alle Antennen ausgefahren, als Arijane in sein Blickfeld geriet, und war in die Defensive gegangen. Vielleicht war jetzt der richtige Moment, um ihm zu erklären, dass Arijane nicht die Krankheit, sondern eher ein Symptom war. Jochen sprach mit ihm wie mit einem Kind, das er überzeugen musste, sich auch hinter den Ohren zu waschen.
»Roland, ist dir noch nie in den Sinn gekommen, dass der Film vielleicht zu Ende sein könnte? Ich bin vierunddreißig Jahre alt, viele Piloten in meinem Alter sind längst zurückgetreten. Und die, die noch im Rennen sind, sind nur noch ein schwacher Abklatsch von dem, was sie einmal waren.«
Absichtlich erwähnte er nicht diejenigen, die gestorben waren.
Namen, Gesichter, das Lachen von Männern, die von einem Augenblick zum anderen nichts mehr waren als eingeklemmte Körper in einer verbeulten Karosserie, ein bunter Helm, der auf die Seite hing, ein Krankenwagen, der niemals schnell genug war, ein Helikopter, der immer zu spät kam, ein Arzt, der nichts mehr ausrichten konnte.
In Rolands Worten schwang eine Spur Empörung mit.
»Aber Jochen, was redest du denn da! Wir wissen beide, wie die Formel l ist, aber ich habe einen ganzen Schwung Angebote aus Amerika fürs Kart. Du hast noch viel Zeit vor dir, um dich zu amüsieren und nebenbei ohne jedes Risiko eine schöne Stange Geld mitzunehmen.«
Jochen hatte nicht den Mut, das Feuer von Rolands Begeisterung zu löschen. Das Geld würde ganz sicher nicht den Ausschlag geben, um seinen Gemütszustand zu verändern. Geld hatte er mehr als genug. Er hatte es in all den Jahren verdient, in denen er seine Haut riskiert hatte, und es war nicht, wie das vieler seiner Kollegen, in den Turbinen eines Privatflugzeugs oder in einem Helikopter oder in überall auf der Welt verstreuten Häusern verschwunden. Doch ihm war nicht danach, Shatz zu sagen, dass sein Problem anderswo lag, dass er leider keinen Spaß mehr an der Sache hatte. Aus irgendeinem Grund war seine Glückssträhne gerissen, und er konnte noch zufrieden sein, dass er nicht gerade obenauf balanciert war.
»In Ordnung, wir können ja
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